Das Ergebnis der Bundestagswahl zeigt die „Sonstigen“ bei acht Prozent. Dazu kommt die Linke, die mit 4,9% der Stimmen ohne Grundmandatsklausel an Prozenthürde gescheitert wäre.
Logisch, dass da mancher Wahlkämpfer der bereits etablierten Parteien Potential zum Stimmenabwerben witterte. „Nutzlos“ sei dieses Wahlverhalten, die Stimme „vergeudet“, die Wahl „zu wichtig“ dafür. Das klingt auf den ersten Blick schlüssig – auf den zweiten wird aber deutlich, was für ein unterkomplexes Demokratieverständnis dem zu Grunde liegt.
Zunächst einmal verfallen Stimmen unter der Fünfprozenthürde nicht. Sie bestimmen über den Zugang zu Parteienfinanzierung und üben Druck auf die Gewählten aus. Wichtiger ist allerdings, dass sie gar nicht verfallen müssten. Wie drastisch das das Wahlverhalten ändert, zeigen die Wahlen zum europäischen Parlament. Ohne die 5%-Hürde trauen sich die Wähler_innen plötzlich zu wählen, was sie wirklich repräsentiert.
Der vermeintliche Knock-Out-Punch gegen dieses Argument: Weimar. Spalterei und Parteienwirrwarr führe direkt in die Unregierbarkeit. Das ist sowohl falsch (siehe Niederlande) als auch unnötig, denn ein Wegfallen der Einzugshürde ist nicht die entscheidende Reform, die unser Wahlsystem braucht. Wir Liberale Demokraten wollen sie zwar auf 2,5% herabsetzen, um mehr demokratische Vielfalt zu ermöglichen, viel wichtiger sind aber grundlegendere Reformen.
Repräsentative Demokratie heißt für uns, wählen zu können, was einen am besten repräsentiert. Und das ginge ganz einfach, wenn eine Stimme für eine Partei, die nicht genug Stimmen auf sich vereinigen kann, nicht verfiele, sondern der nächst besten Option zu Gute käme. Das wäre durch ein Präferenzwahlrecht möglich. Statt eines einfachen Kreuzes auf dem Wahlzettel könnten damit Optionen von Eins Aufwärts nummeriert werden. Nach dem Prinzip des „Instant Run-off Votings“ würde beim Auszählen dann immer die Partei mit den wenigsten Stimmen eliminiert werden und ihre Stimmen auf die jeweiligen zweiten Optionen verteilt werden, bis entweder keine Optionen mehr benannt sind, oder die Stimme für eine nun im Parlament vertretene Partei gezählt wird.
Das würde natürlich den Auszählungsprozess verlangsamen – was aber in keinem Verhältnis zum ungemeinen Plus an Demokratie steht, den unsere Republik dadurch erfahren würde. Das gilt insbesondere auch für die Wahl von Direktkandidierenden, die heute noch größtenteils taktischer Natur ist. Außenseiter und Parteilose Kandidaten hätten damit eine echte Chance, ein Direktmandat zu erringen, wenn die Bürger_innen das wünschen.
Die Option das Einzuführen hätten die im Bundestag vertretenen Parteien gehabt. Keine hat einen solchen Gesetzesvorschlag eingebracht. Deshalb sei denen, die Stimmen für kleine Parteien monieren gesagt: Wischt die Krokodilstränen weg und macht eure Arbeit. Keine Stimme müsste verfallen.