Seit den 1970er Jahren bedroht die aus Ostasien eingeschleppte Varroamilbe (Varroa destructor) die Bienenvölker der Imkerschaft weltweit und auch in Deutschland. Als natürlicher Bienenparasit der Ostasiatischen Honigbienenart Apis cerana tötet sie dagegen jedes Volk unserer westlichen Honigbiene Apis mellifera. Jährlich fallen Zigtausende Bienenvölker weltweit der Milbe zum Opfer, meist durch imkerliche Nachlässigkeit oder Behandlungsfehler.
Da Wirt und Parasit nicht aneinander angepasst sind, muss der Imker seine Bienenvölker vor der Varroa schützen, diese dezimieren. Zunächst gelang dies mit der harten chemischen Keule, zum Beispiel mit dem Wirkstoff Coumaphos oder Amitraz. In den letzten Jahrzehnten werden zunehmend organische Säuren im Kampf gegen die Varroa angewendet, zum Beispiel Ameisensäure und Milchsäure. Beides Stoffe also, die von Natur aus in der Natur und vielen Lebensmitteln vorkommen.
Als besonders effektiv im Kampf gegen die Varroa hat sich Oxalsäure herausgestellt. Ein Stoff, der von Natur aus im Rhababer und auch im Sauerklee vorkommt, daher auch der Name Kleesäure. Es wurden mittlerweile Arzneimittel entwickelt, die Oxalsäure enthalten und in Wasser gelöst in die Völker getröpfelt bzw. gesprüht werden. Diese Arzneimittel durchliefen ein nationales Zulassungsverfahren. Nachteil: ihre Anwendung ist umständlich und wenig bienenschonend, da viele Bienen diese wässrige Lösung oral aufnehmen und anschließend „Durchfall“ bekommen.
Viel effektiver und bienenschonender dagegen ist es, Oxalsäure kristallin mittels eines speziellen Verdampfungsgerätes bei ca. 120 Grad Celsius zu verdampfen (sublimieren) und diese Dämpfe in das Bienenvolk zu leiten. Ein Verfahren, das seit vielen Jahren bereits auf der ganzen Welt erfolgreich und völlig legal angewendet wird. So auch in allen Ländern der Europäischen Union.
Mit Ausnahme von Deutschland: hier findet die Verdampfung im Untergrund, in der rechtlichen Grauzone statt. Jeder dritte Imker in Deutschland (also ca. 30.000) „bedampft“, aber kaum einer gibt dies zu, aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung. Manche Gegner der Sublimation führen ins Feld, dass das Verdampfen von Oxalsäure im Bienenvolk ein nach dem Arzeimittelgesetz zulassungspflichtiges Verfahren sei und man sich strafbar mache, wenn man dies ohne arzneimittelrechtliche Zulassung tue. Ein Lied hiervon kann Imker Kai-Michael Engfer aus Mielkendorf bei Kiel singen, der sich genau wegen dieses Vorwurfes gerade in einem Ermittlungsverfahren gegen ihn wiederfindet.
Letztendlich dreht sich alles um die Frage, ob die völlig frei verkäufliche, nicht apothekenpflichtige Oxalsäure zum Arzneimittel gemäß § 2 in Verbindung mit § 58 Arzneimittelgesetz (AMG) wird, wenn man damit Bienenstöcke desinfiziert, um die Varroamilbe zu dezimieren. Engfer verneint diese Frage, da mit der Oxalsäureverdampfung keine physiologische Wirkung auf Bienen oder Milben erzielt werden soll, sondern lediglich eine äußerliche, rein physikalische Anwendung. Andere sehen in dieser Anwendungsform sehr wohl das Vorliegen einer Eigenschaft des Arzneimittels als erfüllt an.
In der Tat lässt das Arzneimittelgesetz, hier vor allem die §§ 2 und 58 ff, einen sehr weiten Interpretationsspielraum zu.
Ein unhaltbarer Zustand, so Engfer, für die ca. 90.000 Imker in Deutschland, deren Millionen Bienen ihre wertvolle Aufgabe in der Natur und Landwirtschaft erfüllen, nämlich die überaus wichtige Bestäubungsleistung. Kai-Michael Engfer fordert daher eine Konkretisierung und gleichzeitig Liberalisierung des Arzneimittelrechtes, ja eine Änderung des Arzneimittelgesetztes, damit auch endlich die Imker in Deutschland völlig legal und ohne jede „Grauzone“ ihre Bienenvölker vor der Varroa mit Oxalsäure schützen können. So, wie es auch in jedem anderen Land der Europäischen Union möglich ist.
Kai-Michael Engfer
Kai-Michael Engfer, Jahrgang 1965, begann bereits im Jahr 1979 mit seinen ersten Bienenvölkern. Seitdem sorgt er sich ununterbrochen um das Wohl seiner Bienen in seiner kleinen Hobbyimkerei mit ca. 20 Bienenvölkern. Besonders am Herzen liegt ihm das Wissen um die in Mitteleuropa ursprünglich heimische Honigbiene, die sogenannte Dunkle Biene. Engfer wurde durch regelmäßige Fachartikel in Imkerzeitschriften im deutschsprachigen Raum bekannt. In den letzten Jahren veröffentlicht er sein Wissen auch über seinen Youtube-Kanal „Nordbiene – Bienen und Natur“.
Hinweis: Gastautor_in
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