Vielfalt, Toleranz und Gleichberechtigung

Wirklich frei ist nur, wer in einer Gesellschaft lebt, in der man seinem Gegenüber gleich an Rechten ist und auf Grund der eigenen Identität und materiellen Lage keine Nachteile im Leben und im Erstreiten dieser Rechte zu fürchten hat.

Das zu gewährleisten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur mit einer mutigen und toleranten Politik, die auf Betroffene zugeht und ihnen zuhört, gestaltet werden kann.

I. Das Grundgesetz – Eine Verfassung für alle

Rolle des Grundgesetzes

Das Grundgesetz hat als Fundament für die Etablierung einer freiheitlich demokratischen Grundordnung in Deutschland eine herausragende Rolle für die Liberalen Demokraten. Das in ihm festgehaltene Wertekonstrukt ist von herausragender Bedeutung für die nationale Identität Deutschlands und die Festigung der Liberalen Demokratie. Dabei sind die hohen Ziele des Grundgesetzes für uns noch lange nicht erreicht – wir wollen es deshalb weiter in die Gesellschaft hineintragen.

Gottesbezug abschaffen

Die Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland beginnt mit dem Bezug auf die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Wir wollen diesen Gottesbezug aus dem Grundgesetz streichen. Eine säkuläre Gesellschaft kann als Begründung für die Festsetzung ihrer grundlegendsten Rechte nicht eine Weltanschauung aus vielen angeben. Zusätzlich soll der Gottesbezug bei Amtseiden abgeschafft werden.

Begriff „Rasse“ ersetzen

Das Grundgesetz legt in seinem 3. Artikel fest, niemand dürfe „wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“. Die Rassentheorie, auf den der hier gewählte Begriff „Rasse“ zurückzuführen ist, ist überholt, historisch belastet und wissenschaftlich nicht haltbar. Das Grundgesetz sollte stattdessen die Benachteiligung auf Grund der ethnischen Herkunft ausschließen. Gleichzeitig ist klar, dass das Ändern eines Begriffes nur ein Seitenprojekt im Kampf gegen Rassismus sein kann, kein Lösungsansatz.

Schutz vor Diskriminierung auf sexuelle und geschlechtliche Minderheiten ausweiten

Der verfassungsgemäße Schutz vor Diskriminierung aus Artikel 3 betrifft nicht explizit sexuelle und geschlechtliche Minderheiten. Das wollen wir ändern. Queere Menschen sind auch heute noch im besonderen Maße von Diskriminierung betroffen. In Zukunft müssen sich alle Menschen auf den verfassungsmäßigen Schutz durch das Grundgesetz verlassen können.

Uneheliche Kinder

Artikel 6 stellt fest, dass für eheliche und uneheliche Kinder die gleichen Bedingungen gelten sollten. Diese Unterscheidung ist überholt. Insbesondere legt die Vorsilbe „un-“ eine negative Konnotation nahe. Wir Liberale Demokraten wollen, dass für alle Kinder die gleichen Bedingungen gelten.

II. Vielfältige Gesellschaft

Strukturelle Diskriminierung bekämpfen

In verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen ist strukturelle Diskriminierung heute immer noch alltäglich. Egal ob auf dem Arbeitsmarkt, dem Wohnungsmarkt, bei kulturellen Angeboten, oder beim Zugang zu Bildung. Diese Diskriminierung ist durch eine reine gesetzliche Gleichstellung nicht zu überkommen. Sie ergibt sich aus gewachsenen Strukturen, in denen etablierte Gruppen über die Verteilung und Verfügbarkeit von Gütern und Dienstleistungen entscheiden. Gleichzeitig fördert sie durch gefestigte Machstrukturen ihren eigenen Erhalt.

Diesen Kreislauf können wir nur durch eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung überwinden. Vorurteilslosigkeit kann sich nur im Gespräch über gesellschaftliche Grenzen hinweg ergeben. Sie muss Teil unseres alltäglichen Lebens, unserer Politik und unseres Bildungssystems sein. Vielfalt versteht und akzeptiert am besten, wer sie erlebt.

Individuelle Lebens- und Familienentwürfe gleichstellen

Wir wollen, dass Partnerschaftsmodelle, die von der Ehe zwischen Mann und Frau abweichen, ihr in allen Belangen gleichgestellt werden.

Das gleiche gilt für das Recht auf Adoption und den freien Zugang zu Reproduktionsmedizin. Insgesamt wollen wir die rechtliche Situation für queere und alternative Familienmodelle verbessern. Elternschaft soll auch für Lebenspartnerinnen von Müttern von der Geburt an möglich sein. Wir wollen eine Möglichkeit der Vielelternschaft für bis zu vier Elternteile schaffen, damit alle Familienkonstellationen die Möglichkeit haben, ihre Elternschaftsverhältnisse korrekt abzubilden.

Wir fordern die Ersetzung der Begriffe Vater und Mutter durch Elternteil im Familienrecht.

Unter geeigneten strengen gesetzlichen Rahmenbedingungen wollen wir die nichtkommerzielle Leihmutterschaft ermöglichen.

Opfer des §175 StGB entschädigen

Wir fordern für die Opfer des §175 StGB eine vollständige Rehabilitierung und eine zusätzliche Opferrente. Der bis 1994 existente Paragraf stellte sexuelle Handlungen zwischen Menschen des gleichen Geschlechts unter Strafe.

Geschlechtsidentitäten anerkennen

Wir setzen uns für einfache Verfahren zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrages ein. Angestellte im öffentlichen Dienst müssen im Umgang mit den vielfältigen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten in unserem Land geschult werden und sie müssen zum Beispiel im Schulunterricht sichtbar werden.

Echte Gleichstellung

Männer und Frauen verdienen für gleiche Arbeit oft noch immer unterschiedliche Löhne. Das wollen wir durch branchenspezifische Maßnahmen ändern. Zudem sollen Berufe im sozialen Bereich, wo oft deutlich mehr Frauen als Männer beschäftigt sind, finanziell aufgewertet werden.

Wir vertreten bedingungslos das Selbstbestimmungsrecht von Frauen und Mädchen über ihren Körper.

Kinderbetreuung, Pflege und Weiterbildung sollen keine Karriereendstationen mehr sein: Mit einem Recht auf Rückkehr zu Vollzeit und ein Recht auf Vaterschaftsurlaub wollen wir flexible Lösungen ermöglichen.

Gewalt gegen Frauen

Gewalt gegen Frauen ist kein Thema auf der alltäglichen politischen Agenda. Auch wenn sich praktisch alle Entscheidungsträger_innen in der Verurteilung dieser Form der Gewalt einig sind, entsteht daraus kein politisches Handeln. Wir Liberale Demokraten wollen das ändern.

Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass sich mehr Frauen trauen, gewalttätige Beziehungen zu verlassen und Männer, die morden und misshandeln, eine gerechte Strafe erhalten. Zu erreichen ist das durch schärfere Strafen und eine verstärkte Sensibilisierung für dieses Thema in allen Bereichen. Das schließt insbesondere Bildungseinrichtungen, Polizei und Justiz ein.

Der Weg in eine missbräuchliche Beziehung ist oft ein schleichender. Deshalb wollen wir bereits kontrollierendes Verhalten, bei dem etwa die Partnerin von Freunden und Familie isoliert wird, unter Strafe stellen. Um eine Anzeige überhaupt erst möglich zu machen, muss sichergestellt sein, dass vor, während und nach der Anzeige Schutz- und Unterstützungsangebote verfügbar und bekannt gemacht werden. Einstweilige Verfügungen im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen sollen in Zukunft durch den Einsatz elektronischer Fußfesseln (EAÜ) durchgesetzt werden.

Für Frauen, die den Sprung aus einer gewaltvollen Beziehung schaffen, sind Frauenhäuser eine wichtige Anlaufstelle. Wir wollen daher deren Finanzierung aufstocken.

Trennung von Religion und Staat

Die Bundesrepublik sollte für uns Liberale Demokraten ein laizistischer Staat sein. Ob und welche religiösen Weltanschauungen Bürger_innen haben ist Privatsache und darf die Rahmenbedingungen, die jemand in Deutschland vorfindet, nicht beeinflussen.

Wir Sozialliberale fordern, dass in Deutschland alle Bürger_innen unabhängig von religiösen Anschauungen die gleichen Chancen haben und gleiche Bedingungen antreffen. Dafür braucht es eine echte Trennung von Religion und Staat. Keine Religion soll einer anderen vorgezogen und mehr Rechte erhalten dürfen.

Konkret fordern wir Liberale Demokraten daher die Abschaffung der Kirchensteuer sowie eine damit einhergehende kritische Überprüfung der Transferleistungen an Kirchen. Alle staatlichen Institutionen sollen religiös-weltanschaulich neutral auftreten. Religiöse Dekorationen und Symboliken müssen aus öffentlichen Gebäuden entfernt werden.

Gesetzliche Feiertage mit religiösem Hintergrund sind zu überprüfen, wenn es gesetzlich anerkannte christliche Feiertage gibt, so sind im Sinne der Gleichberechtigung auch Feiertage anderer Religionen anzuerkennen. Einschränkungen des öffentlichen Lebens, vor allem im Rahmen der Vorschriften der sog. „stillen Feiertage“, lehnen wir ab.

Weitergehend verweisen wir auf den Programmpunkt „Bildung“ und die dortige Forderung den bisherigen klassischen Religionsunterricht durch ein umfassendes Fach „Werte und Normen“ zu ersetzen.

Vielfalt in Fragen des Gesundheitssystem

Weitere Forderung zur Vielfalt im Gesundheitssystem finden sich in unserem Programmpunkt „Gesundheit“, so zum Beispiel die Aufhebung des Blutspendeverbots für Homosexuelle und Forderungen im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen.

III. Wehrhafte Demokratie

Geerbte Verantwortung

Der Taten des nationalsozialistischen Regimes zu Erinnern und für sie Verantwortung zu übernehmen ist die ewige Aufgabe Deutschlands. Die Verantwortung besteht hierbei insbesondere darin, Schlüsse in Bezug auf die Umstände der Gegenwart zu ziehen. Dass diese Verbrechen niemals in Vergessenheit geraten, ist die Aufgabe jedes einzelnen, insbesondere die der Politik.

Zudem muss die historische Verantwortung, die Deutschland für den Völkermord an den Nama/Herero hat, endlich aufgearbeitet werden.

Demokratische Zivilgesellschaft

Wir wollen die demokratischen, liberalen Werte des Grundgesetzes in die Gesellschaft tragen.

Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz muss seiner Aufgabe endlich gerecht werden, in dem er von Grund auf neu gegründet wird, mit einer klaren Trennung zwischen Polizeiarbeit als Inlandsgeheimdienst und Schutz der Verfassung durch Beobachtung ihrer Feinde. Seine jetzige Form mit zwielichtigen Verbindungen in die von ihm kontrollierten Milieus ist inakzeptabel.

Extremismus

Wir verurteilen jede Form von religiösem oder politischen Extremismus. Die Verbreitung solcher Ideologien kann insbesondere verhindert werden, indem Menschen in prekären Lebensverhältnissen geholfen wird. Zudem muss eine angemessene Förderung für Ausstiegsprogramme und Kampagnen gegen Extremismus bereitstehen.

Insbesondere der Rechtsextremismus muss auf Grund der derzeitigen Gefahrenlage und Fallzahlen im Fokus stehen. Die Durchsetzung von Polizei, Verfassungsschutz und Bundeswehr mit rechtsextremen Netzwerken muss untersucht und unterbunden werden.

IV. Inklusion

Barrierefreiheit

Vollumfänglicher Zugang zum öffentlichen Leben ist die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Öffentliche Ressourcen müssen sowohl körperlich als auch sprachlich vollständig barrierefrei zugänglich sein. Auch im privaten Bereich muss z.B. die Bereitstellung barrierefreier Wohnangebote gefördert werden. Wir wollen, dass die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention zum Maßstab für die öffentliche Hand und die Politik werden.

Barrierefreiheit muss jedoch umfassender und allgemeiner verstanden, umgesetzt und weiterentwickelt werden. Sie muss sich auf alle Arten von Einschränkungen beziehen. Barrierefreiheit muss z.B. nicht nur Treppenüberwindung bedeuten, sondern auch Treppenhandlauf an beiden Seiten.

Barrierefreiheit ist auch die Integration von Gehörlosen oder Sehbehinderten. Gebärdensprache sollte als Wahlpflichtfach an Schulen unterrichtet werden. Barrieren sind auch technische Hürden bei Geräten und der mangelnde Zugriff aufs Internet mit zunehmender Bedeutung bei der Digitalisierung.

Ganz allgemein ist auch die Integration von Fremden, die allgemeine Zugänglichkeit von Sprachübersetzungen und -schulungen eine Barrierefreiheit.

Sichtbarkeit

Menschen mit Einschränkungen und ältere Menschen haben im Alltag oft mit Problemen zu kämpfen, die unser Mehrheitsentscheidungssystem bei der Gestaltung unserer Umgebung übergangen oder gar nicht erst wahrgenommen hat. Barrierefreiheit muss immer mitgedacht werden, wenn wir unsere gemeinsame Umgebung gestalten. Damit das möglich ist, müssen mehr Menschen in Kontakt mit Betroffenen kommen. Gleichzeitig müssen mehr Betroffene in entscheidenden repräsentativen Positionen vertreten sein.

Arbeitsmarkt

Der Sprung in den Arbeitsmarkt ist für Menschen mit Einschränkungen immer noch hürdenübersät. Wir wollen, dass Behindertenwerkstätten keine Endstationen sind. Mit geeigneten Lohnsubventionen soll eine Erwerbsarbeit mit würdigen Lebensbedingungen für mehr Menschen möglich werden. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben soll unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation an die individuellen Gegebenheiten angepasst gewährleistet werden.