Energie

Damit wir die Klimaziele nicht verfehlen, müssen wir durch neue Technologien und politische Rahmenbedingungen unser Energiesystem reformieren. Die Sektoren Strom, Wärme und Verkehr müssen enger miteinander verknüpft werden. Außerdem muss die Energieversorgung entsprechend dem Bedarf von Industrie und Haushalten individuell steuerbar sein. Hierzu bedarf es neben innovativen und effizienten Technologien primär ökonomischer Anreize, unter anderem durch spezielle Förderprogramme, und den entsprechenden Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch den Auf- und Ausbau der Infrastruktur.

Wir Liberale Demokraten wollen, dass in der Klima- und Energiedebatte an morgen gedacht, aber bereits heute gehandelt wird, und fordern, die aktuellen Erkenntnisse der Wissenschaft in diesem Bereich umzusetzen. Wir orientieren uns in unserem Programm deshalb unter anderem am Konzept des integrierten Energiesystems, wie es das Akademieprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) vorstellt.

I. Energiewende der Bürger_innen

Transparenz schafft Vertrauen – Einbezug der Bevölkerung

Wir stellen fest, dass die Energiewende den Menschen durch die nötige Umstellung auf neue Technologien, die Veränderungen im Landschaftsbild, die erbetene Änderung der Lebensgewohnheiten und hohe Investitionskosten, die sich auf die Lebensunterhaltskosten niederschlagen können, viel abverlangt. Die Politik ist daher gefordert, Stillstände zu überwinden, Ängste in der Bevölkerung abzubauen, Widerstände durch Aufklärung und Aufzeigen der Alternativen abzubauen und die Bürgerinnen und Bürger für die Energiewende zu begeistern und zugleich für klima- und energiepolitische Themen zu sensibilisieren.

Hierzu bedarf es einem offenen und transparenten Dialog mit der Bevölkerung, in dem den Bürger_innen ein umfangreiches Wissen über jene Technologien vermittelt wird, die zwar kurzfristig die Lebenswelt vieler verändern, aber langfristig eine bessere Lebensqualität bieten wird.

Ein transparenter Bürgerdialog ist wichtig, um die Bürger_innen in Entscheidungen einzubeziehen und Vor- und Nachteile einer solchen Entscheidung im Vorhinein abzuwägen und bekanntzumachen. Diese Entscheidungen betreffen die Fragen nach den vorrangig eingesetzten Technologien, welche Verantwortung Bürger_innen, Unternehmen und der Staat bei der Transformation des Energiesystems vor dem Hintergrund der Klimadebatte haben und viele weitere Themenfelder.

Zudem werden verhaltensökonomisch basierte Maßnahmen und breit gefächerte, umfangreiche Aufklärungskampagnen bezüglich der Energiewende zu einer Ressourcenschonung beitragen, da den Bürger_innen dadurch bewusst gemacht werden kann, wie ausschlaggebend hierbei das eigene Verhalten und der eigene Konsum ist.

Hierbei dürfen die erheblichen Kosten, die die Energiewende mit sich bringt, nicht verschwiegen werden. Es muss aufgezeigt werden, wie möglichst viele vom unabdingbaren Transformationsprozess profitieren können und es müssen Lösungen für die negativ betroffenen Unternehmen und Menschen gefunden und angeboten werden.

Wir Liberale Demokraten fordern, dass die kurzfristige Kostenfrage in der Energiewende keine entscheidende Rolle bei der Entscheidungsfindung und deren Umsetzung spielen darf, da die durch einen fortschreitenden Klimawandel entstehenden langfristiges Kosten ins unermessliche gehen werden und heute nicht abzuschätzen sind.

II. Energiegewinnung

Kohleausstieg

Wir Liberale Demokraten begrüßen und befürworten den von Bundesregierung unter dem Regierungskabinett (Merkel IV) 2020 beschlossenen Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Mit Blick auf die Einhaltung der Klimaziele – vordergründig des 1.5 Grad Ziels des Weltklimarates – sehen wir allerdings den Ausstieg erst zum Jahre 2038 kritisch und fordern, diesen in Deutschland bereits bis 2030 umzusetzen und in Europa bis spätestens 2040 anzustreben.

Zudem müssen Subventionen fossiler Energieträger und weiterer klima- und umweltschädlicher Produkte und Maßnahmen sofort beendet werden. Die hierdurch frei werdenden Geldbeträge — laut Umweltbundesamt etwa 57 Milliarden Euro — sollen einer Zweckbindung unterliegen und beispielsweise in eine zu schaffende Klimadividende fließen oder der Erforschung und Förderung klimaneutraler Energien und entsprechenden Projekten dienen.

Erneuerbare Energien

Zur Sicherung unseres Lebensstandards und unserer Wirtschaftskraft müssen neue, klimaneutrale Energieträger erschlossen und erforscht werden. Dies ist nicht nur im Rahmen der klassischen Stromversorgung, sondern auch für industrielle Prozesse, den motorisierten Individualverkehr und das Heizen von größter Bedeutung.

Wir Liberale Demokraten fordern daher den schnellen, massiven, bundesweiten — auch europaweiten — Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Dieser ist schnellstmöglich und vollumfänglich umzusetzen, um den weiter steigenden Energiebedarf decken zu können, nachdem die fossilen Kraftwerke vom Netz genommen wurden.

Bei der Errichtung von Windparks, Wasserkraftwerken, Pump-Hebe-Kraftwerken und Photovoltaikarealen ist bei der Genehmigung gesondert auf die Umweltverträglichkeit, Sozialverträglichkeit und die tatsächliche Eignung des Standorts für diesen Zweck zu achten. Im Falle der Windkraft sind zum Wohl des globalen Klimas Abstandsregelungen anzupassen und Genehmigungs- und Raumordnungsverfahren zu vereinfachen. Eine Errichtung dieser Anlagen ist nur bei guten natürlichen Voraussetzungen an einem Standort zu genehmigen. Die Errichtung etwa von Windparks in windstillen oder -armen Gebieten ist zu verhindern und bestehende Anlagen in solchen Regionen, die kaum energiewirtschaftlichen Nutzen aufweisen, sind zu demontieren und die Flächen zu renaturieren. Es muss verhindert werden, dass Windparks mittels Subventionen errichtet und nach Auslaufen der Subventionen wieder abgerissen werden.

Photovoltaik verbraucht nicht notwendigerweise zusätzliche Flächen, da hier bereits bebaute Flächen für die Strom- und auch Wärmeerzeugung genutzt werden können, indem Gebäude oder urbane Räume, zum Beispiel Parkplätze, Haltestellendächer oder auch Lärmschutzwände, mit entsprechenden Anlagen ausgerüstet werden. Außerdem sind Mischformen in landwirtschaftlich genutzten Flächen möglich (Agrophotovoltaik).

Durch Subventionen sollen Anreize geschaffen werden, Unternehmen und Privatleute aktiv in den Ausbau zu beteiligen. Die Einspeisung der nicht selbst genutzten Energie ist entsprechend zu vergüten.

Flexibles Energiesystem

Um Energieüberschüsse speichern zu können, sollte der Energiebedarf witterungsbedingt nicht gedeckt werden können, müssen zwingend klima- und umweltfreundliche Speichermöglichkeiten geschaffen werden. Die Erforschung und Realisierung dieser Technologien zur Überbrückung sogenannter Dunkelflauten ist konsequent zu fördern und stetig voranzutreiben.

Zusätzlich muss zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und der Systemstabilität das Energiesystem zwingend flexibler aufgestellt werden. Hierzu braucht es ein Strommarktdesign, welches flexible Erzeugung, flexiblen Verbrauch und flexible Speicherung ermöglicht und fördert, sowie zudem Rahmenbedingungen für eine langfristige Investitionssicherheit schafft.

Dezentrales Energienetz — Jedes Gebäude ein Kraftwerk

Die Zeit der großen Energieversorger ist abgelaufen. Diese haben durch ein jahrzehntelanges Verschlafen und Verzögern der Energiewende zu einer Gefährdung des Weltklimas und somit der Gesellschaft beigetragen.

Wir fordern unter dem Leitspruch „Jedes Gebäude ein Kraftwerk“ eine Dezentralisierung der Energieversorgung in Deutschland. Dies bedeutet, dass alle Bürger_innen aktiv an der Energiegewinnung teilhaben können, indem sie etwa ihr Dach mit Photovoltaikpanelen ausrüsten lassen oder andere geeignete Maßnahmen zur Strom- oder Wärmeerzeugung ergreifen. Photovoltaikanlagen an Dach- und Gebäudeflächen sind bereits heute gesellschaftlich akzeptiert. Anreize für Umbaumaßnahmen an der eigenen Immobilie sind hierbei durch Fördermaßnahmen wie eines Zuschusses und zinslosen Kredites zu schaffen (z. B. KfW-Förderung).

Um diese Dezentralisierung zu ermöglichen, ist zunächst das Stromnetz für diese Zwecke anzupassen und auszurichten. Hierfür haben die Netzbetreiber schnellstmöglich Sorge zu tragen, wobei die Umrüstung und Aktualisierung des bestehenden Stromnetzes für die neuen Ansprüche staatlich zu fördern oder subventionieren ist, da die Infrastruktur das Rückgrat des Energiesystems ist.

Es müssen zudem Anreize für den Verbrauch, aber auch die Zwischenspeicherung im Wohngebiet geschaffen werden. Mittels virtueller Energiezähler kann Solarenergie – unabhängig, ob Strom oder Wärme in Form von z. B. Warmwasser – in der Nachbarschaft oder Siedlung unkompliziert gehandelt und somit direkt vor Ort verbraucht werden, ohne dass Stromleitungen und Schaltanlagen umgebaut werden müssten.

Lokale und kleinere Energieeinspeiser — unabhängig ob Privatperson oder Unternehmen — müssen sich zudem ohne größeren Aufwand oder Hindernisse in Form von demokratischen Genossenschaften zusammenschließen dürfen, um als diese auf dem Strommarkt in größerer Rolle agieren und gegenüber großen Energieversorgern bestehen zu können.

Bioenergie richtig nutzen

Bioenergie kann in unserem Stromsystem eine wichtige Position einnehmen. Bioenergie bezeichnet hierbei die Energiegewinnung aus Biomasse. Energie ist in Form von Biomasse leicht speicherbar und kann somit auf diese Weise Schwankungen in der Wind- und Solarenergie auffangen und ausgleichen.

Vornehmlich sollte dabei auf die Verwertung von Rest- und Abfallstoffen zur Energiegewinnung gesetzt werden. Müllverbrennungsanlagen sollten hierfür zu Blockheizkraftwerken umgerüstet werden, um neben der Strom- auch eine Nah- und Fernwärmeversorgung zu gewährleisten — auch große Industrieanlagen sollten ihre überflüssige Abwärme entsprechend in Nah- und Fernwärmenetze einspeisen.

Die Verwendung von Agrar- und Forsterzeugnissen für Energiezwecke birgt große ökologische Risiken für das lokale Ökosystem und sollte langfristig vermieden werden. Diese kann jedoch einen kurzzeitigen akzeptablen Zwischenschritt hin zu einer Klimaneutralität darstellen und sollte nur als Übergangslösung angesehen werden. Für den Anbau dieser Energiepflanzen dürfen jedoch keine zusätzlichen Flächen gerodet und die bestehenden Flächen dürfen nur dann zu diesem Zweck genutzt werden, wenn der Flächenbedarf zur Herstellung für Nahrungsmittel gedeckt ist.

Stromhandel

Wir Liberale Demokraten fordern den internationalen Stromhandel im Sinne des Klima- und Umweltschutzes zu regulieren.

So sollte ab spätestens 2025 für die Energieversorgung Deutschlands nur noch regenerativ erzeugter Strom zugekauft werden dürfen – europaweit ab 2035.

Hierdurch soll insbesondere der Kohleausstieg gefördert werden, da ein Verkauf fossiler Energie erschwert, wenn nicht sogar gänzlich unmöglich wird.

Überschussstrom  

Regenerativ erzeugter Überschussstrom — also Strom, der ohne weitere Maßnahmen weder verbraucht noch gespeichert werden kann — sollte zu einem in hohem Maß von Abgaben und Umlagen befreiten Tarif angeboten werden.

III. Energieeinsparung

Cleveres und rationales Einsparen

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn zukünftig die Energieeffizienz eine gewichtige Rolle spielt. So sollten ineffiziente fossile Verbrennungsprozesse weitestmöglich durch stabile Technologien mit einem höheren Wirkungsgrad ersetzt werden.

Energieeffizienz kann Belastungen der Bürger_innen durch den Ausbau der Energiegewinnung und der dafür nötigen Infrastruktur gering halten, weil der Umfang des nötigen Ausbaus reduziert werden kann. Zentrales Element einer Effizienzoptimierung muss die Schaffung direkter Anreize zum Einsparen von Energie sein.

Das Einsparen am Energieverbrauch ist hierbei vor allem in der Umstellungsphase wichtig, wo schrittweise der fossil — oder auch atomar — erzeugte Strom aus dem Strommix entfernt wird und der Ausbau der regenerativen Stromerzeugung der dazu nötigen Infrastruktur noch nicht vollumfänglich hergestellt ist.

Zukünftig könnte ein Einsparen am Energieverbrauch nach Meinung der Liberalen Demokraten hinfällig werden, da die in der Natur vorhandene Menge an regenerativer Energie (v.a. Sonnenenergie) quasi unerschöpflich ist. Es fehlen bisher lediglich die Flächen und effizienteren Systeme dieses Energiereservoir nutzbar machen zu können.

Technologie und intelligente Systeme

Wir Liberale Demokraten fordern zügig und erheblich in die Erforschung energieeffizienter und ressourcenschonender Technologien zu investieren, um die Kosten dieser Technologien zu reduzieren, sie zu validieren und zu etablieren und somit den Verbraucher_innen schnellstmöglich geeignete Alternativen zu bieten.

Diese Investitionen können zusätzlich über spezielle Markteinführungsprogramme, durch die neuartigen Produkten eine hohe Stückzahl bei niedrigem Startpreis ermöglicht werden soll, unterstützt werden. Erweitert werden kann dies noch durch die Gewährung von Prämien, wenn durch den Einsatz einer neuen effizienteren Technologie eine ältere ineffiziente ersetzt wird.

Digitalisierung sowie die intelligente Steuerung des Energienetzes sind weitere geeignete Mittel den Energieverbrauch zu senken. Die Digitalisierung muss jedoch zwingend durch Regulierungen stärker unterstützt und durch hohe Standards und Datenschutzrichtlinien sicher gestaltet werden.

Intensivierung der Anstrengungen im Gebäudesektor

Nachdem die Wärmeversorgung im Gebäudesektor für etwa ein Viertel der energiebedingten CO₂-Emission in Deutschland verantwortlich ist, sind zwingend Anreize und Wege zu schaffen, fossile und ineffiziente Heizungssysteme zu ersetzen und die Gebäudedämmungen zu verbessern und nach- oder aufzurüsten.

Klimafreundliche, energetisch optimierte Sanierungen eines Gebäudes oder eines Heizungs- und Warmwasserbereitungssystems sollten mit Prämien belegt und zusätzlich steuerlich gefördert werden. Auch der Bau von Niedrigenergiehäusern und der Kauf und die Nutzung energieeffizienter und energiesparender Geräte und Maschinen sind in diesem Rahmen zu fördern.

Es muss verhindert werden, dass das Wohnen und der Lebensunterhalt durch neue, aufwändigere Gebäudetechnik verteuert wird. Dazu benötigen wir Wege, Vermieter_innen dazu zu bringen die Energiesysteme eines Mietobjektes zu erneuern, obwohl sie durch die Umlage der Heizkosten auf die Mieter_innen keinen direkten Mehrwert davon haben.

Als Mittel des sozialen Ausgleichs fordern wir Liberale Demokraten die zuzüglich zu einem bedingungslosen Grundeinkommen zu schaffende Klimadividende (siehe Programmpunkte „Soziales“ und „Klima“).

IV. Steuern, Abgaben & Umlagen  

Der Energieverbrauch wird aktuell (2020) durch unzählige Steuern, Abgaben und Umlagen — unter anderem Netzentgelte, Konzessionsabgaben, Energiesteuer, Ökosteuer, Kraftstoffsteuer, EEG-Umlage — belastet, die nicht an den Treibhausgas-Emissionen ausgerichtet sind und daher nur eine äußerst begrenzte klimapolitische Wirkung erzielen oder sogar der Energiewende entgegenwirken.

Wir, die Liberalen Demokraten, fordern daher dieses System umgehend zu reformieren. Hierzu ist die Basis für diese Steuern, Abgaben und Umlagen im Energiebereich zu vereinheitlichen.

Hier greift auch eine Bepreisung der CO₂-Emission (siehe Programmpunkt „Klima“). Dadurch, dass dann diejenigen die Kosten tragen, die klimaschädliche Technologien nutzen, profitieren Nutzer klimaschonender Technologien automatisch, sodass weitere Förderungsmaßnahmen für solche Technologien entfallen könnten.

Durch eine verursachungsgerechte Belastung könnten die Gesamtkosten der Energiewende gesenkt werden.