Faires Grundeinkommen

Die Landschaft an Sozialleistungen in Deutschland ist heute unübersichtlich wie selten zuvor. Verschiedene Leistungen in wechselnder Höhe und mit unterschiedlichen Bezugsbedingungen wollen vollständig durchblickt und frist- und formgerecht beantragt werden. Dieser Prozess ist nicht nur eine Belastung für Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sondern verursacht auch enorme Bürokratiekosten.

Diesem Sozialleistungschaos stellen wir Liberale Demokraten unseren Entwurf für ein „Faires Grundeinkommen“ entgegen. Es muss mehrere Ziele zeitgleich erfüllen. Das faire Grundeinkommen muss allen Menschen ein Leben in Würde garantieren. Es muss im Bedarfsfall sofort zur Verfügung stehen und es muss so angelegt sein, dass es dabei unterstützt, den Sozialleistungsbezug zu verlassen.

I. Faires Grundeinkommen, wenn der Lohn nicht zum Leben reicht

Insgesamt stellen Sozialleistungen für uns Liberale Demokraten nur eine von vielen Komponenten sozialer Politik dar. Unser Ziel ist nicht, über staatliche Transferleistungen unbezahlbar werdende Grundbedürfnisse zu finanzieren.  Unser Ziel bleibt, dass Menschen mit dem Lohn für ihre Erwerbsarbeit ihren Lebensunterhalt selbstbestimmt bestreiten können. Erst wenn das durch eine schwierige Lebenslage unmöglich wird, sehen wir den Platz für Sozialleistungen.

Negative Einkommenssteuer

Unser faires Grundeinkommen kommt anders als das Bürgergeld oder Hartz IV ganz ohne Antrag aus. Es wird jedem volljährigen Bürger und jeder volljährigen Bürgerin, die keine Rente bezieht, in gleicher Höhe ausgezahlt. Im Ruhestand tritt an die Stelle des fairen/bedingungslosen Grundeinkommens die Grundrente. Näheres dazu wird im Programm „Rente“ erklärt.  Die Bedarfsprüfung erfolgt „hinterher“ über die Einkommenssteuer. Wer genug Geld verdient, zahlt das Grundeinkommen über einen neuen progressiven Einkommenssteuersatz zurück. So ist es immer sofort verfügbar, wenn es gebraucht wird, ohne Steuergeld an bereits wohlhabende Menschen zu verteilen.

Dieser Auszahlmechanismus führt dazu, dass sich das Aufnehmen einer Arbeit immer lohnt, statt wie heute Anreize gegen das Aufnehmen einer Arbeit zu setzen.

Höhe & Ziel des Grundeinkommens

Die Höhe des Grundeinkommens muss sich an einer eindeutigen Zielsetzung orientieren: Es muss ein Leben in Würde garantieren. Welcher Betrag das garantiert, muss fortlaufend durch ein unabhängiges Expertengremium neu bewertet werden, das auch eine automatische Angleichung an die Änderung der Lebenshaltungskosten vornimmt. Das Grundeinkommen soll nicht wie der Mindestlohn zum politischen Spielball für Wahlkämpfe werden.

Finanzierung des Grundeinkommens

Das Grundeinkommen ersetzt bisherige Sozialleistungen wie Bürgergeld, Sozialhilfe, Kindergeld, Elterngeld und BAföG. Nicht angetastet werden die Sozialversicherungen, also etwa Arbeitslosen- und Rentenversicherung, sowie das Wohngeld. Aus den wegfallenden Kosten für die zuvor genannten wegfallenden Leistungen kann,  abhängig von der Festlegung der Höhe und des Einkommens, ab dem das Grundeinkommen vollständig zurückgezahlt wird, bereits ein Großteil der neuen Leistung finanziert werden. Hinzu kommen konsumbedingt steigende Mehrwertsteuereinnahmen und erheblich sinkende Bürokratiekosten. Hierin begründet sich insbesondere auch der Verzicht auf ein Sanktionsregime beim Grundeinkommen. Die Feststellung individueller Ansprüche und die Sanktionierung von „Totalverweigerern“ ist oftmals teurer als die Auszahlung der Leistung an diese Personen. Auch wenn unser Vorgehen einem Gerechtigkeitsempfinden durchaus entgegenstehen kann, ist es schlichtweg kosteneffizient. Die bisherigen Sanktionsmaßnahmen treffen zudem regelmäßig Menschen, die sich etwa durch einen Schicksalsschlag oder durch psychische Krankheit in einer schwierigen Lebenslage befinden und verschärfen die entsprechenden Probleme.

Chancenumzugsgeld

Unser Ziel ist, dass das Leben überall in unserem Land bezahlbar und gute Arbeit überall verfügbar ist. Dennoch werden Lebenshaltungskosten und Jobchancen auch in Zukunft ungleich verteilt sein. In einer immer mobiler werdenden Arbeitswelt kann das eine schwerwiegende Einstiegshürde darstellen. Deshalb fordern wir die Einführung eines Chancenumzugsgeldes. Mit diesem soll ein Umzug und die Startphase am neuen Wohnort finanziert werden können.

Die Beantragung soll neben den klassischen Behördenwegen in einem simplen Onlineformular beantragbar sein. Ein Anspruch besteht bei allen Bürger_innen, deren Einkommen unterhalb der Obergrenze für die vollständige Rückzahlung des Grundeinkommens liegt, sofern eine von zwei Anforderungen erfüllt ist. Ein Anspruch liegt dabei vor, wenn die Lebenshaltungskosten am neuen Wohnort niedriger sind, oder wenn mit dem Umzug ein neuer, besser bezahlter Job einhergeht. Die Aufnahme eines ersten Berufes fällt auch hierunter. Nötig für die Beantragung ist also lediglich die Angabe des alten und neuen Wohnorts sowie ggf. der Arbeitsvertrag der alten und neuen Stelle nötig.

Chancenbildungsgeld

Der veränderte Arbeitsmarkt zwingt mehr und mehr Menschen, ihren ursprünglich gewählten Karrierepfad zu verlassen. Es ist dabei im Interesse unserer Gesellschaft, dass dieser Wechsel nicht erst „wenn nichts mehr geht“ stattfindet, sondern so früh wie möglich. Deshalb muss der Staat dafür sorgen, dass es Arbeitnehmer_innen möglich ist, aus dem Berufsleben in eine Fortbildung, Ausbildung oder ein Studium und zurück zu wechseln, ohne ihr Leben dramatisch an die neue finanzielle Situation anpassen zu müssen.

Das wollen wir durch das Chancenbildungsgeld garantieren. Es wird Menschen, die aus ihrem aktuellen Beruf heraus einen zukunftsträchtigen neuen Berufsweg gehen wollen, zusätzlich zum Grundeinkommen für die Dauer der Fortbildung, Ausbildung oder des Studiums ausgezahlt. Chancenbildungsgeld und Grundeinkommen müssen gemeinsam ausreichen, um den durchschnittlichen Lebensstandard von Arbeitnehmer_innen fortfinanzieren zu können.

II. Faires Grundeinkommen für Nicht-Erwerbsarbeit

Die aktuellen Bewegungen am Arbeitsmarkt haben bei einigen politischen Akteuren zu der Prognose geführt, dass das Modell der Erwerbsarbeit zur Finanzierung des Lebensunterhalts absehbar ausgesorgt haben wird. Diesem pessimistischen Ausblick folgen wir nicht. Wir glauben, dass sinn- und mehrwertstiftende Arbeit für ein erfülltes Leben unabdingbar ist. Unser Ziel ist deshalb, den Kapitalismus so zu reformieren, dass er gesellschaftlich gefragte Tätigkeiten angemessen entlohnt. Darunter fällt insbesondere Arbeit, die heute meist unentgeltlich ausgeübt wird, etwa die Pflege von Angehörigen und das Großziehen von Kindern.

Bei diesem Vorhaben ist das Faire Grundeinkommen eine wichtige Komponente. Es stellt sicher, dass Tätigkeiten außerhalb der klassischen Erwerbsarbeit vergütet werden.

III. Faires Kindergrundeinkommen

Das Grundeinkommen soll auch Kinder- und Elterngeld ersetzen. Dafür wird auch Eltern für ihre Kinder ein Grundeinkommen ausgezahlt, das nach Alter gestaffelt ist. Maßgabe ist, dass das Kindergrundeinkommen ausreicht, um dem Kind ein Leben in Würde und mit vollem Zugang zu unserer Gesellschaft und ihren Chancen zu ermöglichen. Wie beim „großen“ Grundeinkommen erfolgt die Rückzahlung über den angepassten, progressiven Einkommenssteuertarif. Die Rückzahlung des Kindergrundeinkommens soll jedoch erst erheblich später greifen als beim Grundeinkommen der Eltern. Das Kindergrundeinkommen stellt somit eine finanzielle Entlastung für alle normalverdienenden Familien dar und tritt somit an die Stelle von Kinder- und Elterngeld.