Konjunkturprognose: Wir sparen uns unsere Chancen kaputt

Von Paul Vossiek

Die Bundesregierung hat ihre Konjunkturprognose für das Jahr 2024 deutlich gesenkt. Nur noch 0,2 % soll das Wachstum betragen und kommt damit praktisch zum Erliegen. Damit liegt Deutschland auf dem vorletzten Platz aller EU-Staaten. Auch die Ankündigung des US-Konzerns Microsoft, 3,2 Milliarden Euro in Deutschland zu investieren, die auffällig zielgenau am gleichen Tag wie die Konjunkturprognose bekannt wurde, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland wirtschaftlich schwächelt.

Vielmehr kann die Microsoft-Investition sogar als Symptom verstanden werden. Ein internationaler Großkonzern schafft hier in Deutschland in erster Linie keine Entwicklungskapazitäten, sondern stellt als Dienstleister KI-Rechenkapazität für deutsche Unternehmen bereit. Eine deutlich bessere Nachricht für den Technologiestandort Deutschland dagegen wäre, wenn heimische Unternehmen an der Spitze dieses technologischen Umbruchs stehen würden, statt nur Kunde bei Microsoft zu werden.

Auch bei anderen Zukunftstechnologien spielt unsere Wirtschaft nicht vorn mit. Die deutsche Batterieforschung fürchtet dieser Tage um ihr Überleben, nachdem die Bundesregierung die Mittel für die Forschung gekürzt hat. Diese Energiespeicher sind ein Grundbaustein moderner Technologien und werden in steigender Qualität etwa in der Automobilindustrie dringend benötigt. Auf der ganzen Welt werden deshalb Investitions- und Forschungsbemühungen verstärkt. Der deutsche Sonderweg dürfte dabei auch ideologisch begründet sein: Die Förderung für die FDP-Lieblingslösung im Pkw, Wasserstoff, blieb etwa unangetastet.

Schon die ehemalig weltmarktführende deutsche Solarindustrie hatte eine frühere Bundesregierung erst mit Subventionen aufgezogen und sie dann durch deren plötzlichen Wegfall absterben lassen. Im heutigen Milliardenmarkt in diesem Bereich spielen Deutschland und Europa keine Rolle und sind bei strategisch wichtigen Bauteilen auf China, Kanada und die USA angewiesen. Die Reihe der Zukunftstechnologien, in denen Deutschland keine Rolle spielt, lässt sich beliebig fortsetzen, etwa durch Mikrochips, die die Basis für praktisch alle modernen elektrischen Produkte und durch GPUs auch für künstliche Intelligenz darstellen.

Kaum Hoffnung auf neue weltmarktfähige Wirtschaftszweige im Land zu haben, wird allerdings erst dann richtig besorgniserregend, wenn die bestehenden Wirtschaftszweige kriseln. Ein Blick auf die Elektroauto-Verkaufszahlen zeichnet allerdings auch hier ein düsteres Bild. Deutschland ist abgeschlagen hinter China und den USA. Ohnehin kommt durch den Umstieg auf Elektrofahrzeuge ein Umbruch auf die deutsche Industrielandschaft zu, da diese weniger komplexen Fahrzeuge weniger Teile, also weniger Zulieferer, benötigen. Es bleibt ein Automobilzulieferersterben zu befürchten.

Diese schwierige Gesamtlage wird durch schlechte Bildungsergebnisse, marode Infrastruktur und überbordende Verwaltung nur verstärkt und verfestigt. Es ist allerhöchste Zeit, dass die Bundesregierung und die Landesregierungen handeln und dabei in großem Maße Geld in die Hand nehmen, um einen Befreiungsschlag zu erreichen. Deutschland ist heute gefragt, in nie bekanntem Ausmaß Bildung und Verwaltung zu reformieren, Infrastruktur zu renovieren und zu schaffen und Rekordinvestitionen in Forschung, Entwicklung und Gründerkultur zu tätigen.

Tun wir das nicht, verspielen wir unseren Wohlstand mit Effekten bis weit in die Zukunft. Es bleibt zu bezweifeln, dass wir 2050 unsere niedrige Staatsverschuldung bejubeln, während Schulen verfallen, Brücken einstürzen und Industrie abwandert.

Schlagwörter: Konjunktur | Microsoft | Wirtschaft

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