Nur Investieren rettet unseren Wohlstand

Von Paul Vossiek

Angesichts sich weiter verschlechternder wirtschaftlicher Aussichten droht das Verhalten der Regierungsparteien, dem Wohlstand Deutschlands mit Auswirkungen bis weit in die Zukunft zu schaden. Unsere von den letzten Regierungen zu verantwortende Abhängigkeit von natürlichen Rohstoffen aus unzuverlässigen, undemokratischen Drittstaaten zeigt mehr und mehr ihre eindeutig absehbar gewesenen Konsequenzen. Sie sorgt dafür, dass die Prognosen für den Standort Deutschland seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine zunehmend pessimistisch werden. Die Probleme unserer Wirtschaft liegen allerdings auch bei weiteren, tiefergreifenden Versäumnissen der Regierenden.

Das Fundament für langfristigen, nachhaltigen Wohlstand bilden seit jeher eine gut gebildete Bevölkerung, heimische Innovationen, effiziente Verwaltung und leistungsstarke Infrastruktur. Diese Bereiche sind zugleich diejenigen, in denen Deutschland seit Jahrzehnten einige seiner eklatantesten Versäumnisse aufweist und zurückfällt.

Fast einem Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland fehlen grundlegende Kompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das zeigt ein großangelegter internationaler Vergleich des Münchner ifo Instituts auf Basis von Schulleistungsstudien. Damit liegt unser Land deutlich hinter Staaten wie Großbritannien, den Niederlanden und Schweden. Von Staaten mit innovativer Bildungspolitik wie Estland und Finnland sind wir regelrecht abgeschlagen worden. Sämtlichen Landesregierungen, aber auch der Bundesregierung, fehlt der Mut, eine Vision für ein grundsätzlich überarbeitetes Schulsystem zu formulieren, mit dem wir unsere Schülerinnen und Schüler zu weltweiten Spitzenleistungen befähigen könnten. Auch deutsche Universitäten können laut nahezu aller gängigen Vergleichsmetriken mit internationalen Spitzeneinrichtungen nicht mithalten.

Nicht nur diese Versäumnisse, sondern auch fehlende Ambition beim Thema Innovationsförderung verhindern, dass Sprunginnovationen, also neue Technologien, die ein ganzes Feld nach vorn katapultieren, in Europa entdeckt werden. Die Vereinigten Staaten investieren, genauso wie in jüngerer Zeit China, enorme Summen in Grundlagenforschung mit bahnbrechendem Potenzial. Ergebnisse solcher Investitionen waren unter anderem Technologien wie das Internet, Smartphones und GPS. In Europa fehlt es dagegen schon an ausreichender Ambition, um sich bei der Herstellung bereits heute existierender Bausteine für innovative Technologien, moderner Mikrochips, eine ernst zu nehmende Rolle auf dem Weltmarkt zu erkämpfen. Der European Chip Act bleibt weit hinter den Investitionssummen unserer globalen Konkurrenten zurück und wird so kaum signifikante Produktionskapazitäten nach Europa holen, geschweige denn eigene weltmarktfähige Konkurrenten zu TSMC, Intel und Qualcomm aufbauen. Das zu ändern, würde absehbar erhebliche staatliche Ausgaben erfordern – die sich, wie die Beispiele aus dem Ausland zeigen, ebenso absehbar bezahlt machen würden.

Mit dafür verantwortlich ist die Trägheit der deutschen Verwaltung, die Unternehmen bei der Errichtung neuer Produktions- und Arbeitsstätten und neuer Infrastruktur lähmt und zukünftige Unternehmerinnen und Unternehmer gleich ganz von einer Gründung abschreckt. Für den laufenden Geschäftsbetrieb und für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kritische Abläufe sind überladen, undurchsichtig und werden schlecht oder gar nicht begleitet. Deutsche Verwaltung und deutsches Recht zu navigieren, ist selbst für international tätige Unternehmen ein kostspieliges Unterfangen und eine reale Hürde für Investitionen und Wirtschaftswachstum. Die Bereitschaft der Unternehmen, beides zu erdulden, nimmt zudem gemeinsam mit der Rolle des deutschen Marktes in der Weltwirtschaft ab.

Am eklatantesten sind die Versäumnisse unseres Staates allerdings bei der Instandhaltung und beim Ausbau seiner Infrastruktur, den Lebensadern einer florierenden Wirtschaft. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik sieht einen Investitionsbedarf von 372 Milliarden Euro allein für den Erhalt und die Erweiterung des kommunalen Verkehrsnetzes. Rund 16.000 Brücken in Deutschland sind sanierungsbedürftig. Langsame Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren sowie oftmals unverhältnismäßig großer Widerstand der Bevölkerung gegen lokale Veränderungen sorgen zudem dafür, dass diese Probleme selbst mit ausreichendem politischem Willen noch weit in die Zukunft Bestand haben werden.

All diese Versäumnisse treffen in einer Zeit zusammen, in der wir nicht nur Wirtschaftsleistung erhalten, sondern grundlegende Transformationsprozesse hin zu Klimaneutralität und Digitalwirtschaft bewältigen müssen. Die Gefahr für den Status Deutschlands in der Welt ist gewaltig und sie ist real.

Wer in einer solchen Situation an ideologischen Leitlinien wie einer unflexiblen schwarzen Null festhält, sabotiert die Zukunft unseres Landes. Es ist fahrlässig, sich für die Beibehaltung eines ausgeglichenen Haushaltes als Champion der Generationengerechtigkeit zu wähnen, während man unserem Land für die Zukunft Schulden in Billionenhöhe in Form von versäumten Anpassungsprozessen und Investitionen aufbürdet.

Weitblickende, verantwortungsvolle Politik muss in dieser Situation Mut zu einem radikalen Gegensteuern haben. Wenn wir nicht jetzt grundlegende Bildungs- und Verwaltungsreformen auf den Weg bringen und mit Milliardeninvestitionen unsere Infrastruktur und unsere Forschungseinrichtungen auf Weltniveau zurückbringen, droht Deutschland ein Abstieg an die Seitenlinien des globalen Geschehens.

Das deutsche Bildungssystem sollte als ganzes auf den Prüfstand gestellt werden. Neue, bundesweit einheitliche Standards und Abschlüsse könnten endlich Vergleichbarkeit zwischen den Bundesländern ermöglichen. Digitale Didaktik muss nicht nur durch die Bereitstellung von Endgeräten ermöglicht, sondern durch besonders geschulte Pädagogen, neue Lehrmaterialien und IT-Fachkräfte gelebt werden. Bildungswege müssen individueller und Inhalte aktueller werden, um mit einer Zeit grundlegender Veränderungen Schritt zu halten.

Bund, Länder und Gemeinden müssen hier, aber insbesondere auch bei der Verkehrsinfrastruktur, schnellstmöglich gemeinsam einen so bislang beispiellosen finanziellen Kraftakt hinlegen, um nicht von immer neuen Sanierungsfällen überrollt zu werden.

Besonders perplex macht der Sparkurs der Bundesregierung, weil er gänzlich an konventionellen wirtschaftswissenschaftlichen Lehren vorbeiläuft. Staatliche Infrastrukturinvestitionen als Starthilfe für die Wirtschaft in Krisenzeiten sind schon lange das Mittel der Wahl – gerade, wenn man auf die heute instabile Auftragslage im deutschen Baugewerbe schaut.

Es ist absehbar, dass eine Rückkehr zu einem Wirtschaften mit Weitblick nur durch einen politischen Machtwechsel möglich sein wird. CDU und FDP haben ihre religiös anmutende Überhöhung der schwarzen Null nicht überwunden. Grünen und SPD ist nicht zuzutrauen, den Unterschied zwischen einer sich bezahlt machenden Investition und einer kostspieligen Staatsausgabe zu erkennen. Es braucht eine rationale, fortschrittsorientierte politische Kraft der Mitte, die ein Verständnis für marktwirtschaftliche Prinzipien mitbringt. Nur diese kann die Veränderungen auf den Weg bringen, die nötig geworden sind, um unseren Wohlstand zu wahren.

Schlagwörter: Bildung | Verkehr | Wirtschaft

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