Bundespräsidentenwahl am 30.6.2010

Von Bernd Grothkopp

Zunächst meinen Glückwunsch dem neugewählten Bundespräsidenten Christian Wulff. Ich wünsche ihm eine souveräne, gerechte und geachtete Amtsführung. Möge er sich den Respekt der Bevölkerung in seiner Amtsführung verdienen und erhalten.

Ich hätte allerdings Joachim Gauck gewählt, wäre ich Mitglied der Bundesversammlung gewesen.
Ich sehe zwar große Differenzen zwischen seinen politischen Standpunkten und meinen sozialliberalen Positionen.
Aber Joachim Gauck steht für Zivilcourage, Gerechtigkeit, Verantwortung, Freiheit und Demokratie und nicht zuletzt für die Aufarbeitung des Unrechts und der Unterdrückung in der DDR. Deshalb wäre er der richtige Bundespräsident in dieser Zeit gewesen.

Seine Wahl hätte ein Signal gegen die Politikverdrossenheit großer Teile der Bevölkerung sein können, ein Zeichen, dass sich doch etwas ändern kann in diesem Land.

Von Christian Wulf weiß ich kaum mehr als dass er Ministerpräsident von Niedersachsen ist, politisch ist er für mich ein unbeschriebenes Blatt, entweder zu linientreu ohne eigene Meinung oder einfach politisch so neutral, dass er keine Meinung äußert. Letzteres kann ihm in der politisch neutralen Position als Bundespräsident helfen, aber ansonsten würde ich in ihm als Person kaum eine staatspolitische Autorität sehen, die müsste er sich erst erarbeiten.
Eine sonore Stimme ist mir dafür nicht ausreichend.

Für mich schafft es Vertrauen, dass ich bei Joachim Gauck sehr genau weiß, wo ich politisch mit ihm übereinstimme und wo nicht. Bei Christian Wulff weiß ich beides nicht einzuschätzen.

Auf jeden Fall ist es ein Gewinn für unsere Demokratie gewesen, dass doch zunächst so viele, wenn auch immer noch zu wenige, Mitglieder der Bundesversammlung wirklich ihrem Gewissen gefolgt sind statt dem Parteienzwang.
Leider hat das Lagerdenken auch diesmal schließlich wieder gewonnen, das ist schade für unsere parlamentarische Demokratie. Mittelfristig wird es in kaum einem Parlament in Deutschland noch zu Mehrheiten mit zwei Parteien reichen, aber viele tun noch so.
Es ist auch kein gutes Demokratieverständnis bei einer persönlichen, geheimen Wahl, wenn Westerwelle und andere führende Vertreter der FDP sagen, die FDP habe und wird geschlossen abstimmen. Auch so etwas schürt die Politikverdrossenheit.

Die Linke hat eine einmalige Chance vertan, jetzt endlich in der Bundesrepublik Deutschland anzukommen und ihre SED-Vergangenheit aufgearbeitet hinter sich zu lassen. Denn mit ihrer Unterstützung wäre Joachim Gauck schon im ersten Wahlgang mit 625 Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt worden.
Ihre Sturheit im dritten Wahlgang zu bemänteln mit dem Argument, jetzt hätte es sowieso nicht mehr gereicht, macht den Fehler nicht geringer.

Demokratie heißt nicht, sich in möglichst vielen und unnötigen Alternativen in Personen und Sachen zu verzetteln, sondern Demokratie heißt, Mehrheiten für die subjektiv bessere von möglichst wenigen, unbedingt notwendigen, nachvollziehbaren Alternativen zu finden.
Alternativen aus Prinzip sind undemokratisch, weil sie Mehrheiten erschweren und damit die Demokratie beschädigen.

Eines hat der heutige Tag aber auf jeden Fall wieder einmal jedem gezeigt, der die Bundesversammlung im Fernsehen verfolgt hat oder selbst dabei war. Der Bundestagspräsident Norbert Lammert ist ein unglaublicher Glücksfall für unsere parlamentarische Demokratie.
Er hat eine sehr beeindruckende, bewundernswerte Rede zur Eröffnung gehalten und wie immer sehr souverän, ruhig, ordentlich und mit viel Humor die Versammlung geleitet. Er wäre sicher einmal ein würdiger Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten.

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