Studium und Ausbildung

Im Prozess der Entwicklung individueller Mündigkeit und Freiheit stellen die Berufsausbildung oder das Studium für viele ein elementares Mosaikstück dar. Wir Liberale Demokraten verfolgen den Anspruch eines lebenslangen Lernens und schließen hierbei auch Fortbildungen und weitere berufsbildende Maßnahmen ein.

I. Vereinbarkeit von Bildung, Person und Familie

Wir Liberale Demokraten stehen für ein offenes und modernes Familien- und Weltbild. Dabei ist für uns die Vereinbarkeit von Beruf, (Aus–)Bildung und Familie entscheidend.

Im Besonderen ist hier die Aufmerksamkeit auf die Lage der Alleinerziehenden zu richten, die vor allem in ihrer Berufsausbildung, im Studium oder im Rahmen von Fortbildungen auf gesonderte Unterstützung angewiesen sind.

II. Bildungskosten und Förderungen

Für uns steht fest, dass eine bestmögliche Bildung für jeden Menschen bezahlbar und erreichbar sein muss. Bildung zählt zu den Grundrechten eines jeden Menschen unabhängig vom gesellschaftlichen oder finanziellen Status.

Daher fordern wir Liberale Demokraten eine Kostenfreiheit im Erststudium sowie eine Befreiung von anderen Bildungs- und Betreuungskosten, z.B. KITA-Gebühren, wie sie in einigen Bundesländern bereits umgesetzt wurde. Gleiches muss auch für den Besuch von staatlichen Schulen, die der allgemeinen wie auch beruflichen Bildung dienen, gelten.

Doch auch andere Bereiche der Bildung sollten finanzierbar für alle Menschen sein. Daher fordern wir eine generelle Überarbeitung des Kostenkataloges für alle anderen Bereiche der Bildung. Hierdurch sollen etwaige Gebühren gesenkt und somit für die privaten Haushalte finanzierbar werden oder bleiben.

Studiengebühren

Wir Liberale Demokraten vertreten die Auffassung, dass es einem jeden Menschen unabhängig von seiner Herkunft, gesellschaftlichen oder finanziellen Stellung möglich sein muss zu studieren. Aus diesem Grunde lehnen wir die Erhebung von Studiengebühren, die über den regulären Semesterbeitrag hinausgehen, im Rahmen des Erststudiums ab.

Das Erststudium muss, abgesehen von den Semesterbeiträgen der Hochschulen oder Fachhochschulen, kostenlos bleiben. Die dazugehörigen Kosten an Materialien, ggf. Miete und andere Faktoren sind oft ohnehin schon groß genug und für viele Studierende auch so nur schwer aufzubringen; im Besonderen, wenn sie Kinder zu betreuen haben oder in einem Vollstudium studieren und möglicherweise noch einer weiteren (ehrenamtlichen) Tätigkeit nachgehen.

BAföG

Wir Liberale Demokraten setzen uns für die Einführung eines fairen Grundeinkommens ein, wodurch das BAföG in seiner bisherigen Form, ebenso wie alle anderen Sozialtransfers, ersetzt werden würde.

Bis zur Einführung des bGE ist die bisherige BAföG-Regelung übergangsweise zwingend neu zu gestalten.

Im Zuge der steigenden Lebenserhaltungskosten und der zunehmenden Inflation sind die BAföG-Regelsätze in allen Bereichen zu erhöhen. Diese Erhöhung darf jedoch nicht wie bisher damit einhergehen, dass auch die Kriterien der BAföG-Berechtigung verschärft werden, im Gegenteil sind diese parallel zu lockern.

Da ein Studium oder eine Berufsausbildung mit geringer Entlohnung oft der erste Schritt in die Selbstständigkeit von Menschen ist, fordern wir weitergehend, dass übergangsweise das BAföG unabhängig vom Elternhaus ausgezahlt werden soll, um so den nötigen Raum für freies Denken ohne größere finanzielle Sorgen zu schaffen. Die bessere Finanzierung eines Studiums oder die Unterstützung in einer Berufsausbildung von über 25-Jährigen muss ebenfalls gewährleistet werden.

Diese Neuregelungen können als Anreiz gesehen werden, einer ehrenamtlichen Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der Universität oder des Weiteren beruflichen Umfelds nachzugehen und so aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben.

Sie gibt den Studierenden mehr Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten und sich trotz Studium selbst zu verwirklichen, ohne dabei ein Leben am Existenzminimum zu führen. Durch bessere Aussichten auf finanzielle Beihilfen bei der geforderten Unterlassung des Erhebens von Studiengebühren wird auch für viele Kinder aus finanziell weniger gut gestellten Elternhäusern ein Studium ermöglicht und attraktiv gemacht. Insbesondere die zuletzt genannte Gruppe sollte dabei in besonderer Weise unterstützt und in ihrer Entscheidung zu studieren informiert werden, wie es beispielsweise auch in Initiativen wie „Arbeiterkind“ geschieht.

Diese gesteigerte Attraktivität eines Studiums sollte zugleich dem Fachkräftemangel in Deutschland entgegenwirken und diesen somit mittel– und langfristig verringern. Hierbei sollte dem später genannten Punkt der Verzahnung betrieblicher mit schulischer/ akademischer Ausbildung eine besondere Stellung zukommen.

Wir Liberale Demokraten sind der Auffassung, dass selbst die besten Studierenden ohne finanzielle Grundabsicherung schuldlos in finanzielle Notlagen geraten können, was wiederum zu schlechteren Ergebnissen führen kann, weil eine ausreichend bezahlte Nebentätigkeit nötig geworden ist.

Ein Abschluss in der Regelstudienzeit ist unter solchen Bedingungen kaum mehr möglich und es führt zu einer Verlängerung des Studiums, so dass die Student_innen erst verspätet ins Berufsleben Einstieg finden oder ihr Studium ganz abbrechen müssen, weil sie es zeitlich und finanziell, physisch und psychisch nicht mehr schaffen können. Ein Grundeinkommen würde hierbei eine stabile Sicherung schaffen und somit langfristig auch der gesamten Gesellschaft helfen.

III. Das Bachelor/Master-Studium überdenken

Wir Liberale Demokraten fordern ein Überdenken der Bachelor/Master-Studiengänge in ihrer jetzigen verschulten Form. Im Gegensatz zu den vorherigen Studiengängen (Magister und Diplom) ist es gelungen den Druck gegen Ende des Studiums zu nehmen, da die Studierenden immerfort eine Rückmeldung über das Bestehen der Module erhalten und somit einschätzen können auf welchem Leistungsstand sie in diesen sind. Dieses hat vieles zur Transparenz beigetragen und ist alles in allem positiv zu bewerten.

Ebenfalls positiv zu sehen ist eine an vielen Hochschulen gesteigerte Vielfalt an Studiengängen, weswegen die Studierenden hierüber einen eigenen individuellen Weg finden können.

Deutlich negativ zu sehen ist hingegen, dass es an diversen Hochschulen in verschiedenen Studiengängen, Modulen und Präsenz-Veranstaltungen eine Anwesenheitspflicht gibt und ein damit verbundenes Nicht-Bestehen einhergeht, wenn Studierende eine „zu hohe Fehlzeit“ aufweisen, obwohl dieses oftmals mit nur allzu verständlichen Gründen zusammenhängt.

Eine stetig steigende Zahl an Hochschulen wie auch viele Anlässe in den 2010ern machen deutlich: E–Learning ist möglich, gewünscht und kann ein Präsenz–Studium nicht nur in Teilen ergänzen. Daher sind auch die Hochschulen in diesen Bereichen zu fördern, damit hiervon auch die Lehrenden und die Studierenden gleichermaßen profitieren können.

Überprüfung der Dauer der Studiengänge

Als das Bachelor–/Master–System in Deutschland und Europa neu eingeführt wurde, orientierte man sich am US-Amerikanischen System, welches zu dieser Zeit auch in Teilen einen Bachelorabschluss nach nur drei Regelstudienjahren vorsah. Allerdings wurde dabei übersehen, dass dieser „Turbo-Bachelor“ nach nur drei statt vier Jahren keinesfalls die Regel war.

Wir Liberale Demokraten fordern daher als Reaktion auf die Erfahrungen der Vergangenheit, den Bachelorabschluss nach nur drei Jahren zu überdenken und ihn um ein weiteres Regelstudienjahr auszudehnen, welches auch mit erweiterten praktischen Erfahrungen in Schulen, Behörden und Betrieben verbunden werden sollte.

Zudem ist auch die unterschiedliche Regelung in der Dauer der Master-Abschlüsse im Zuge einer schulischen und akademischen Reform kritisch zu überprüfen.

Internationale Synchronisierung der Studienabschlüsse

Von der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge und -abschlüsse versprach man sich u.a. im Rahmen zunehmender Globalisierung eine bessere Vergleichbarkeit der Abschlüsse auf internationaler Ebene. Zunächst ist jedoch genau das Gegenteil dessen eingetreten, denn die deutschen akademischen Abschlüsse waren bereits zuvor international geschätzt, hoch angesehen und entsprechend gefragt. Die Abkehr von diesem System führte also zunächst zu einer Art „Nachfragevakuum“, da die gefragten Abschlüsse nicht mehr in bekannter Form angeboten wurden und die neuen Abschlüsse sich erst in ihrem Ansehen und ihrer Nachfrage etablieren mussten. Zudem gab es nun Abschlüsse, die es vorher nicht gab und für die erst Stellenstrukturen außerhalb des akademischen Systems gefunden bzw. geschaffen werden mussten.

Über gesonderte Absprachen und Abkommen versuchte man dieser negativen Richtung entgegenzuwirken; allerdings ist dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen.

Dieser Einigungsprozess muss vollendet werden, um Nachteile von deutschen und europäischen Akademikern auf dem internationalen Markt abzuwenden. Außerdem muss weiterhin an einer Verbesserung der Vergleichbarkeit der Abschlüsse gearbeitet werden.

IV. Bedeutung der Kleinstellen für Lehre und Forschung

Das neue Studiensystem brachte auch neue Begebenheiten mit sich, die vorher in dieser Vehemenz unbekannt waren. Während des alten Systems existierten u.a. durch den fest geplanten und durchfinanzierten Finanzhaushalt an den Hochschulen und Fachhochschulen Arbeitsstellen, die als Ganztagsstelle bzw. volle Stellen geplant waren und besetzt wurden. Vor allem im Zuge der Einführung des Bachelor-Master-Systems hat sich jedoch die Schaffung von Kleinstellen und Kleinst-Lehr- oder Forschungsaufträgen massiv erhöht.

An vielen (Fach-)Hochschulen sollten dadurch ursprünglich zusätzliche Stellen geschaffen werden, die der Lehre, aber auch der Forschung direkt zugutekämen. So sollten beispielsweise Tutorien von erfahrenen Student_innen zur Unterstützung der Studienneulinge angeboten werden; diese Stellen wurden dann oftmals aus den zeitweise erhobenen Studiengebühren finanziert.

Mit der Zeit mehrten sich jedoch die Fälle, in denen auch reguläre Lehrveranstaltungen durch ebendiese Kleinstellen belegt, und somit volle Stellen durch diese verdrängt wurden. Statt Forschung und Lehre zu stärken wurde nunmehr lediglich der Status Quo zu Lasten der Mitarbeiter_innen erhalten, da diese nun mehr Stunden arbeiten mussten als ihnen vertraglich festgeschrieben und vergütet wurden.

Auch durch den — von den Liberalen Demokraten geforderten — Wegfall der Studiengebühren wurde diese Stellenstrukturen dennoch weiterhin beibehalten und volle Stellen entsprechend eingespart. Das hatte zur Folge, dass manche Mitarbeiter_innen nur eine halbe, viertel oder selbst nur eine achtel Arbeitsstelle zur Forschung oder Lehre erhielten mit den entsprechend geringen Vergütungen. Es ist richtig, dass sich diese Kleinstellen zwar oft addierten und damit auch die Vergütungen stiegen, dennoch bedeutet diese Stellenstruktur für viele akademische Mitarbeiter_innen Einbußen in ihren Gehältern, ohne dass hierbei eine exponentiell höhere Zahl an Stellen für Lehre und Forschung zur Verfügung stünden. Kurz und knapp wurden nicht mehr Stellen geschaffen, sondern die Stellen wurden in ihrer Besetzung lediglich günstiger.

Dieses Stellenkonstrukt erweist sich als zweischneidiges Schwert. So gehört zur Wahrheit dazu, dass es in einigen Fällen auch positive Auswirkungen — vor allem bei der Weitergabe von Erfahrungen von erfahrenen Akademiker_innen — haben kann. So können zum Beispiel Schullehrkräfte freiwillig (oder gegen eine geringe Vergütung im Rahmen einer Aufwandsentschädigung) eine Veranstaltung an der Hochschule abhalten und den zukünftigen Lehrkräften damit helfen. Auf der negativen Seite steht allerdings, dass Hochschulkräfte teilweise so schlecht entlohnt werden, dass sie ihre Bezüge über die Bundesagentur für Arbeit „aufstocken“ lassen müssen. Dieses Konstrukt ist teilweise mit äußerst kurzfristigen Verträgen verbunden, sodass den Forschungs- oder Lehrkräften eine Planbarkeit für ihre Zukunft in der Gänze fehlt, sofern sie keinen besseren Vertrag erhalten haben oder woanders Arbeit suchen.

Diese Missstände sind zwingend zu überprüfen, kritisch zu hinterfragen und zu beheben. So müssen diese Mitarbeiter in den Kleinstellen mit längerfristigen und besser dotierten Lehr- und Forschungsaufträgen vergütet werden, sofern sie nicht parallel eine vollwertige Anstellung bspw. als Lehrkraft besitzen. Es muss wieder eine Hinwendung zu mehr Vollstellen in Gang gesetzt werden. Denn, nicht nur die Mitarbeiter_innen selbst leiden hierunter. Die Lehrveranstaltungen an einer (Fach-)Hochschule sind jedes Semester auf das Neue zu konzipieren und in politischen Gremien zu verabschieden. Durch die, den Hochschulen teilweise aufgedrängte „neue“ Stellenstruktur sind diese gezwungen große Teile ihrer Veranstaltungen erst kurzfristig offiziell zu besetzen. Wodurch diese Stellen oftmals immer wieder neu ausgeschrieben und besetzt werden müssen. Dies hat im Folgenden nicht nur Auswirkungen auf die Stelleninhaber_innen, sondern auch direkt oder indirekt auf die Lehre und somit die Ausbildung der Studierenden.

Diesen negativen Teufelskreis, der, falls er beibehalten wird, noch deutlich mehr negative Folgen haben könnte, gilt es zu durchbrechen.

V. Berufliche Ausbildung

Wir Liberale Demokraten fordern einen ambitionierten Ausbau der beruflichen und schulischen Ausbildungsstellenstruktur in Deutschland.

Zudem sehen wir die aktuelle Beratung und Vermittlung durch die Agentur für Arbeit kritisch. Schulgänger werden bei der Frage nach der Berufswahl und beim Bewerbungsvorgang und der Stellensuche zu oft sich selbst überlassen. Die Beratung der Schülerinnen und Schüler ist dringend auszubauen und individuell auf die Talente, Kenntnisse und Bedürfnisse der jeweiligen Schulgänger zuzuschneiden, um ein für alle Seiten optimales Ergebnis zu erzielen.

Wir Liberale Demokraten begrüßen ausdrücklich, dass mittlerweile das Erlangen des Meistertitels in der Berufsweiterbildung zu einer Gleichstellung mit einem Bachelor-Abschluss führt und es somit ermöglicht, zum Beispiel ein Studium an einer Fachhochschule anschließend aufzunehmen und sich akademisch weiter zu bilden. Dieses stellt einen echten Gewinn für die individuelle Berufsplanung und für die Gesellschaft dar.

Berufsakademien

Die Förderung und der Ausbau von Berufsakademien, in denen die Ausbildung in Praxis und Theorie im Wechsel erfolgt, eröffnet Möglichkeiten, dass eine Ausbildung von qualifizierten Fachkräften (Hochschulabsolventen) bei Bedarf direkt in den Unternehmen erfolgen kann. Gerade für mittelständische Unternehmen eröffnen sich hier Chancen, den in den letzten Jahren entstandenen erhöhten Anforderungen des globalisierten Marktes gerecht zu werden.

Diese neue Art der Ausbildung wird den Anforderungen der Wirtschaft nach jungen, praxisorientierten Absolvent_innen gerecht und ist daher weiter auszubauen.