Außen- und Sicherheitspolitik
Die von Liberalen entwickelte und umgesetzte Entspannungspolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat unser Leben sicherer gemacht. Sie ist durch die Schaffung der Grundlagen für die Deutsche Einheit die Existenzgrundlage unseres Landes.
Heute steht Deutschland vor neuen, globalisierten Aufgaben und Herausforderungen in der Welt. Konflikte in der Ukraine, dem Kaukasus und im Nahen Osten tragen die Risiken und Folgen kriegerischer Weltpolitik direkt an die Grenzen der Europäischen Union heran. Von Asien aus verändert sich durch russische und chinesische Investitionen und Außenpolitik zunehmend das Gleichgewicht der Mächte. Populisten und Autokraten regieren heute Staaten innerhalb und außerhalb Europas, auf die wir uns bisher als Partner verlassen konnten.
I. Internationale Verantwortung
Menschenrechte
Deutschland trägt in Europa, im transatlantischen Bündnis und in der Welt eine erhebliche Verantwortung. Als die Nation, die sich vor über 80 Jahren noch des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte schuldig machte, ist es unsere Aufgabe, wachsam, mahnend und aktiv im weltweiten Geschehen tätig zu sein, wenn die Menschen- und Bürgerrechte hier oder anderswo gefährdet sind.
Die außenpolitischen Forderungen der Liberalen Demokraten klagen, diesem Grundsatz folgend, aktiv die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte und des Friedens auf der ganzen Welt ein. Die Menschen- und Bürgerrechte müssen zum zentralen Punkt aller diplomatischen Beziehungen werden. Unrechtsstaaten, Diktaturen und Menschenrechtsverbrecher dürfen niemals gleichberechtigte Partner sein. Beziehungen mit solchen Regierungen dürfen nur mit der Intention eingegangen werden, die gesellschaftliche und menschenrechtliche Lage im betroffenen Land zu verbessern.
Gleichzeitig lehnen wir Liberale Demokraten Beziehungen ab, in denen Menschen Produkte für unseren Markt unter Bedingungen produzieren, die bei uns verboten sind. Waffen dürfen nicht in Länder, in denen Menschen- und Bürgerrechte verletzt werden, exportiert werden, wenn diese für diese und weitere Menschenrechtsverstöße missbraucht werden können. Hier muss auch unsere Handels- und Wirtschaftspolitik, wenn nötig, als Instrument zur Wahrung und Mehrung der Demokratie weltweit genutzt werden.
Entwicklungshilfe
Wir Liberale Demokraten sind überzeugt, dass Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Partnern die Führung im Kampf für eine gleichberechtigte und gerechtere Welt übernehmen muss. Wir wollen die Entwicklungshilfe auf 1 % des BIP erhöhen und auch somit die Armut weltweit bekämpfen. Die Unterstützung von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands darf hierbei zukünftig nicht als Teil der Entwicklungshilfe behandelt werden. Auch eine Erhöhung der Beiträge an Organisationen wie der WHO und der UN begrüßen wir ausdrücklich.
Der Aufbau demokratischer Institutionen und einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie die Unterstützung von nachhaltigem Wachstum und verantwortungsvoller Handelskooperation sind zentrale Elemente der Entwicklungszusammenarbeit. Diese darf jedoch nicht die Selbstbestimmung eines Staates über die eigene Wirtschaftspolitik einschränken. Wichtige Elemente sind deshalb Know-How-Transfer, Demokratieentwicklung, gute Bildung und eine Gründerkultur. Zusätzlich wollen wir die Menschen vor Ort über Bildungsvisa und andere Austauschprojekte von deutschen und im weiteren auch europäischen Einrichtungen profitieren lassen.
Reform der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen müssen das zentrale Element der weltweiten Sicherheitspolitik sein. Leider werden sie durch ihre heutige Struktur dieser Aufgabe nur begrenzt gerecht. Daher fordern wir Liberale Demokraten eine Reform der Vereinten Nationen.
Reform des Stimmrechts
Das Vetorecht der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ist als großes Ziel abzuschaffen, um demokratische Entscheidungen der UN zu ermöglichen. Übergangsweise wäre auch die Einführung eines Vetorechts jeweils für die Europäische Union und die Afrikanische Union wünschenswert.
Das Prinzip „ein Staat, eine Stimme“ unterwandert das demokratische Prinzip „eine Person, eine Stimme“. So kommt für den Staat Nauru eine Stimme im UN-Sicherheitsrat auf 10.000 Einwohner, während die Stimme der Volksrepublik China für 1,3 Milliarden Menschen abgegeben wird. Entsprechend fordern wir Liberale Demokraten, dass im UN-Sicherheitsrat alle UN-Mitgliedsstaaten zwar mit je einer Stimme vertreten sind, darin aber nach dem Vorbild des Rates der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheitswahl entschieden wird.
Etablierung eines Weltparlaments
Die UN-Generalversammlung ist durch ein Weltparlament zu ersetzen. Darin sollen nicht die Staaten, sondern die Weltbevölkerung vertreten sein. Der UN-Sicherheitsrat soll zur zweiten Kammer des Weltparlaments ausgearbeitet werden. Die Kompetenzen der UN müssen auf sämtliche Gebiete von globalem Interesse ausgeweitet werden und Beschlüsse des Zweikammerparlamentes müssen für alle Mitgliedsstaaten gelten.
Die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte, der Klima- und Umweltschutz, sowie weitere Themen von globalem Interesse sind in Ausschüssen des Weltparlaments zu untersuchen und Berichte zu dem jeweiligen Thema sind regelmäßig zu veröffentlichen. Zu Themen, die von besonderem Interesse sind, da sie das Zusammenleben aller Menschen beeinflussen, müssen dedizierte internationale Organisationen etabliert werden, welche direkt der UN unterstehen und von dem jeweiligen parlamentarischen Ausschuss zu beaufsichtigen sind. Diverse UN-Kommissionen und Räte sind ggf. ebenso in solche Organisationen zu überführen.
Nach obigem Prinzip wollen wir den UN-Menschenrechtsrat in eine eigenständige UN-Menschenrechtsorganisation überführen, die unter parlamentarischer Aufsicht steht. Übergangsweise muss sichergestellt werden, dass in dem UN-Menschenrechtsrat keine Staaten vertreten sind, in der staatlich organisierte oder geförderte Menschenrechtsverletzungen erfolgen.
Etablierung einer UN-Armee
Wir Liberale Demokraten fordern die Etablierung einer UN-Armee, die einzig und allein im Rahmen von UN-Mandaten eingesetzt wird. Lediglich der Einsatz der UN-Armee soll zum Einsatz militärischer Mittel, mit der Ausnahme der Verteidigung der nationalen Grenzen oder die der Bündnispartner, berechtigt sein.
Langfristig soll die Etablierung von UN-, EU- und NATO-Basen gefördert werden. Diese Basen dürfen hierbei ausschließlich einen vertraglich geregelten Zweck erfüllen.
Bekenntnis zu Israel
Wir betonen im Rahmen der historischen Verantwortung Deutschlands solidarisch das Existenzrecht Israels ausdrücklich. Die israelische Bevölkerung hat genauso wie eine jede andere das Recht auf Selbstbestimmung und die Ausübung dieser Selbstbestimmung muss garantiert werden. Entsprechend verurteilen wir jegliche Aktionen und Organisationen, die das Existenzrecht Israels Infrage stellen.
II. Sicherheitspolitik – Frieden als oberstes Ziel
UN-Gewaltmonopol
Langfristiges Ziel unserer Außen- und Sicherheitspolitik ist es, das UN-Gewaltmonopol demokratisch legitimiert und handlungsfähig zu etablieren. Sobald dies erreicht ist, werden Bündnisorganisationen wie die NATO nicht mehr nötig sein, wenn nationale Armeen als wesentliches Gefahrenpotenzial reduziert wurden.
Als Übergangslösung betrachten wir als überzeugte Europäer eine Schaffung und die Förderung einer EU-Armee als angemessen, um Friedenseinsätze unabhängig von der NATO und als temporäres Substitut bis zu einer UN-Armee besser durchführen zu können. Diese ist neben den nationalen Armeen auf europäischer Ebene zu schaffen, wobei die Möglichkeit, den Einsatz auf der supranationalen
Ebene zu befehligen, gegeben sein muss. (siehe dazu auch den separaten Programmpunkt „Europa“).
Frieden
Wir unterstützen jedes ernsthafte und ehrliche Eintreten für den Frieden. Der Erhalt und Ausbau einer unabhängigen Friedens- und Konfliktforschung ist die Grundvoraussetzung sowohl für das Verstehen der Problemzusammenhänge des vermeintlichen Gegners als auch für das Schaffen einer Friedensfähigkeit in der eigenen Bevölkerung. Die Ergebnisse dieser Forschung müssen in die Bildungs- und Medienpolitik einfließen.
Ziel von Abrüstungsverhandlungen muss eine Welt frei von ABC-Waffen sein, mit einer ausgewogenen Verminderung der konventionellen Rüstung. Herstellung, Erwerb und Einsatz von Massenvernichtungswaffen sowie von Uran-Munition und Anti-Personen-Minen müssen konsequent völkerrechtlich verboten bzw. bestehende Verbote durchgesetzt werden. Die entsprechenden Verbote müssen kontrolliert werden können.
Wichtiger Bestandteil einer wirksamen Friedenspolitik ist eine Politik des internationalen wirtschaftlichen und sozialen Ausgleichs und des kulturellen Austauschs.
Krisen und Konflikte
Krisengebiete und internationale Konflikte gefährden unsere Sicherheit über alle Grenzen hinweg. Viele davon gehen aus nationalistischen Bestrebungen hervor, die nicht auf ein langfristiges Allgemeinwohl abzielen, sondern aus egoistischer Motivation entstanden sind. Deswegen betonen wir erneut die Wichtigkeit der Etablierung des UN-Gewaltmonopols. Wir sehen die Lösung dieser Konflikte in multilateralen Abkommen auf Augenhöhe und unterstützen jedwede Bestrebungen in dieser Hinsicht. Zusätzlich bemerken wir, dass viele solcher Konflikte darin begründet sind, dass Völker ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben wollen. In solchen Fällen unterstützen wir Liberale Demokraten gewaltlose Bestrebungen in der Hinsicht, verurteilen jedoch jede Art von Gewalt und Terrorismus.
Für uns Liberale Demokraten ist jeder Bruch des internationalen Rechtes eine unentschuldbare Handlung. Wir verurteilen somit explizit folgende Handlungen:
- Invasion in Territorien fremder Staaten
- Besetzung und unilaterale Annexion von Territorien fremder Staaten
- Umsiedlung und ethnische Säuberung in derartigen Territorien
- Besiedlung von derartigen Territorien
- Proklamierung eines Vasallenstaates in derartigen Territorien
- Putsche und Putschversuche in fremden Staaten
- Terroristische Anschläge
- Verknappung von Rohstoffen
- Ausbeutung von Rohstoffen in den Meeren
Wir betonen, dass Staaten und Organisationen, die die vorgenannten Aktionen tätigen, aus Sicht der Liberalen Demokraten nicht als Partner Deutschlands betrachtet werden dürfen. Daher fordern wir vor allem Waffenexporte in solche Länder zu unterlassen, bis signifikante Besserungen und Anstrengungen zur Konfliktlösung erkennbar sind. Instabile Staaten sollen hierbei allgemein keinen Zugang zu deutschen oder über Deutschland gelieferten Waffen und zugehörigen Technologien erhalten.
Verteidigung
Die größte Gefahr für die Gesellschaft geht heute von hybrider Kriegsführung staatlicher Akteure, sowie von grenzüberschreitendem Terrorismus, Völkermord und Bürgerkriegen aus. Der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr darf sich deshalb nicht vollends auf das Deutsche Bundesgebiet und den Bündnisfall beschränken, sondern muss auch in den zuvor genannten Fällen interventionsfähig über größere Distanzen sein.
Dabei ist klar: Militärische Wege sind immer das letzte Mittel und dürfen nur in Erwägung gezogen werden, um Menschen zu schützen und Frieden zu sichern. Alle Optionen für eine Verhandlungslösung müssen mindestens geprüft und parallel durchgeführt werden. Notwendig sind eine transparente Informationslage, eine fundierte Analyse und demokratische Kontrolle.
Jeder Auslandseinsatz außerhalb der Verteidigung der eigenen territorialen Integrität und des Bündnisfalles hat seine Legitimität zwingend in einem UN-Mandat zu finden bzw. den in Artikel 51 UN-Charta gelegten Grundsätzen zur kollektiven Selbstverteidigung zu folgen. Ohne ein entsprechendes UN-Mandat sind nichtstaatliche militante Organisationen nicht als Partner zu betrachten.
Der Begriff Verteidigung sollte weiter gefasst und nicht nur militärisch gesehen werden dürfen.
Gesamtverteidigung bedarf einer in Gänze resilienten Gesellschaft, dies umfasst zivile Cybersicherheit sowie innere Sicherheit, die Verwundetenversorgung und Pflege, den Katastrophenschutz und technische Hilfsorganisationen mit ein. Diese sind während eines militärischen Konflikts für die Aufrechterhaltung des sozialen Gefüges innerhalb der Bundesrepublik und dem Bündnisgebiet genauso wichtig wie die Streitkräfte. In Friedenszeiten können derweil weiterhin militärische Fähigkeiten auch zur Eindämmung der Folgen von Katastrophen oder auch Terrorangriffen zur Verfügung gestellt werden. Die genannten zivilen Elemente müssen dafür zwingend gewappnet und durchgängig finanziert werden.
Hierbei sind Verschränkungen mit beruflichen Tätigkeiten und Zusammenarbeit und Austausch mit entsprechenden Diensten in anderen EU-Staaten anzustreben.
Moderne Bundeswehr
Deutschlands Sicherheitslage ändert sich derzeit dramatisch durch Cyber-Bedrohungen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus autokratischen Regimen sowie die Gefahr, dass zukünftig noch weit mehr Menschen infolge von Klimakrise und politischer Instabilität fliehen könnten.
Deshalb fordern wir Liberale Demokraten eine moderne und hochtechnologische Verteidigung. Wir wollen dabei die Verteidigungsausgaben nicht blind erhöhen, die Ausgaben müssen stringent den Bedarfen aus Aufträgen der Armee folgen. Flexibilität, Redundanzen und Vorsorge für den Ernstfall müssen sowohl politisch-rechtlich als auch organisatorisch in der Bundeswehr erfolgen.
Ablehnung von allgemeiner Dienstpflicht und Wehrdienst im Frieden
Wir Liberale Demokraten sehen Zwangsdienste kritisch. Die Probleme der Bundeswehr liegen nicht in der Verfügbarkeit ungelernten Personals, sondern in der Attraktivität des Dienstes als Ganzes. Dabei lassen sich nicht alle Probleme durch eine monetäre Entschädigung des Personals lösen. Wertschätzender Umgang schließt militärischen Drill nicht aus, moderne Personalführung ist jedoch auch in Uniform möglich. Des Weiteren müssen Aufstiegsmöglichkeiten konsequenter angeboten werden. Der normale Dienst sowie der Reservedienst sollen persönliche Interessen und private Randbedingungen bestmöglich unterstützen. Ein Wiedereinsetzen des Wehrdienstes in Friedenszeiten kann Probleme genereller Art nicht beheben und stellt gleichzeitig einen drastischen Einschnitt in die Rechte und die Freiheit junger Menschen dar.
Sicherheitsbegriff
Größere Sicherheit kann nicht durch mehr und mehr Waffen gewährleistet werden. Der Begriff „Sicherheit“ muss weiterhin nicht auf eine rein militärische Denkweise beschränkt bleiben. Durch langfristig angelegte, ursachenbekämpfende, unmilitärische Friedenssicherung können Konflikte vermieden und Sicherheit gewährleistet werden.
Wir Liberale Demokraten setzen uns für eine Europäische Union als Supermacht ein, die auf Basis der einzelstaatlichen Historie und gemeinsam gewachsenen europäischen Kultur mit breiter Vielfalt als positives Beispiel vorangeht.
Sicherheitsgarant Europäische Union
In Zeiten, in denen Konflikte zwischen Staaten leider wieder auf der Tagesordnung stehen und die Unterstützung des stärksten NATO-Bündnispartners zunehmend infrage steht, braucht es eine Lösung, um Abschreckung zu gewährleisten.
Wir Liberale Demokraten sehen diese Lösung in der Etablierung einer EU-Armee, wie wir sie in unserem Europaprogramm vorschlagen.
An dieser Stelle verweisen wir auf den eigenständigen Programmpunkt „Europa“.
Ergänzend sei jedoch auch hier erwähnt, dass eine stringente europäische Verteidigungspolitik die Resilienz der europäischen Gesellschaft und notwendige Redundanzen zu der rein nationalen Ebene schafft. Langfristig können so auf dem Weg zu einer UN-Armee womöglich frühzeitig die nationalen Armeen abgelöst werden. Grundsätzlich werden die Aufwände und Kosten durch die Harmonisierung von Gerät sowie von militärischen und zivilen Strukturen erwartbar sinken. Dabei muss nicht alles auf ein einziges System für ein gewisses Fähigkeitsspektrum vereinheitlicht werden. Standardisierung kann sowohl auf Systemebene als auch auf Komponentenebene und über einheitliche Schnittstellen voran getriebenen werden. Im Sinne der europäischen Vielfalt können somit in einem beschränkten Rahmen mehrere Systeme für ein Fähigkeitsspektrum verschiedene Doktrinen erlauben und ein diverses Innovations- und Weiterentwicklungspotential sowie eine Varianz im Einsatzspektrum schaffen. Durch dieses Gesamtkonstrukt lässt sich nebenbei Verantwortung und Führung in einzelnen Bereichen auf kleinere europäische Nationen übertragen und unterbindet gewissermaßen ein Gemauschel zwischen den großen europäischen Nationen. Hierbei sei klar erwähnt, dass die Bereiche Cyber und Space Defense sowie Luftraumüberwachung und Flugabwehr nur gesamtheitlich organsiert funktionieren können.
