Außen- und Sicherheitspolitik
Die von Liberalen entwickelte und umgesetzte Entspannungspolitik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat unser Leben sicherer gemacht. Sie ist durch die Ermöglichung der Deutschen Einheit die Existenzgrundlage unseres Landes.
Heute steht Deutschland vor neuen, globalisierten Aufgaben und Herausforderungen in der Welt. Konflikte in der Ukraine, dem Kaukasus und im Nahen Osten tragen die Risiken und Folgen kriegerischer Weltpolitik direkt an die Grenzen der Europäischen Union heran. Von Asien aus verändert sich durch russische und chinesische Investitionen und Außenpolitik zunehmend das Gleichgewicht der Mächte. Populisten und Autokraten regieren heute Staaten innerhalb und außerhalb Europas, auf die wir uns bisher als Partner verlassen konnten.
I. Internationale Verantwortung
Menschenrechte
Deutschland trägt in Europa, im transatlantischen Bündnis und in der Welt eine erhebliche Verantwortung. Als die Nation, die sich vor 70 Jahren noch des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte schuldig machte, ist es unsere Aufgabe, wachsam, mahnend und aktiv im weltweiten Geschehen tätig zu werden, wenn die Menschen- und Bürgerrechte hier oder anderswo gefährdet sind.
Die außenpolitischen Forderungen der Liberalen Demokraten fordern, diesem Grundsatz folgend, aktiv die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte und des Friedens auf der ganzen Welt ein. Die Menschen- und Bürgerrechte müssen zum zentralen Punkt aller diplomatischen Beziehungen werden. Unrechtsstaaten, Diktaturen und Menschenrechtsverbrecher dürfen niemals gleichberechtigte Partner sein. Beziehungen mit solchen Regierungen sollten nur mit der Intention eingegangen werden, die Situation der Gesellschaft im betroffenen Land zu verbessern.
Gleichzeitig lehnen wir Liberale Demokraten Beziehungen ab, in denen Menschen Produkte für unseren Markt unter Bedingungen produzieren, die bei uns verboten sind. Waffen sollten nicht in Länder, in denen Menschen- und Bürgerrechte verletzt werden, exportiert werden dürfen. Hier muss auch unsere Handels- und Wirtschaftspolitik, wenn nötig, als Instrument zur Wahrung und Mehrung der Demokratie weltweit genutzt werden.
Entwicklungshilfe
Wir Liberale Demokraten sind überzeugt, dass Deutschland gemeinsam mit seinen europäischen Partnern die Führung im Kampf für eine gleichberechtigte und gerechtere Welt übernehmen muss. Wir wollen die Entwicklungshilfe auf 1 % des BIP erhöhen und auch somit die Armut weltweit bekämpfen. Die Unterstützung von Flüchtlingen innerhalb Deutschlands soll hierbei zukünftig nicht als Teil der Entwicklungshilfe behandelt werden. Auch eine Erhöhung der Beiträge an Organisationen wie der WHO und der UN begrüßen wir ausdrücklich.
Der Aufbau demokratischer Institutionen und einer verantwortungsvollen Staatsführung sowie die Unterstützung von nachhaltigem Wachstum und verantwortungsvoller Handelskooperation sind zentrale Elemente der Entwicklungszusammenarbeit. Diese darf jedoch nicht die Selbstbestimmung eines Staates über die eigene Wirtschaftspolitik einschränken. Wichtige Elemente sind deshalb Know-How-Transfer, Demokratieentwicklung, gute Bildung und eine Gründerkultur. Zusätzlich sollen die Menschen vor Ort über Bildungsvisa und andere Austauschprojekte von deutschen und im weiteren auch europäischen Einrichtungen profitieren können.
Reform der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen sollten das zentrale Element der weltweiten Sicherheitspolitik sein. Leider werden sie durch ihre heutige Struktur dieser Aufgabe nur begrenzt gerecht. Daher fordern wir Liberale Demokraten eine Reform der Vereinten Nationen.
Reform des Stimmrechts
Das Vetorecht der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates ist als großes Ziel abzuschaffen, um endlich wirklich demokratische Entscheidungen der UN zu ermöglichen. Übergangsweise wäre auch die Einführung eines Vetorechts jeweils für die Europäische Union und die Afrikanische Union wünschenswert.
Das Prinzip „ein Staat, eine Stimme“ unterwandert das demokratische Prinzip „eine Person, eine Stimme“. So kommt für den Staat Nauru eine Stimme im UN-Sicherheitsrat auf 10.000 Einwohner, während die Stimme der Volksrepublik China für 1,3 Milliarden Menschen abgegeben wird. Entsprechend fordern wir Liberale Demokraten, dass im UN-Sicherheitsrat alle UN-Mitgliedsstaaten zwar mit je einer Stimme vertreten sind, darin aber nach dem Vorbild des Rates der Europäischen Union mit qualifizierter Mehrheitswahl entschieden wird.
Etablierung eines Weltparlaments
Die UN-Generalversammlung ist durch ein Weltparlament zu ersetzen. Darin sollen nicht die Staaten, sondern die Weltbevölkerung vertreten sein. Der UN-Sicherheitsrat soll zur zweiten Kammer des Weltparlaments ausgearbeitet werden. Die Kompetenzen der UN müssen auf sämtliche Gebiete von globalem Interesse ausgeweitet werden und Beschlüsse des Zweikammerparlamentes müssen für alle Mitgliedsstaaten gelten.
Die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte, der Klima- und Umweltschutz, sowie weitere Themen von globalem Interesse sind in Ausschüssen des Weltparlaments zu untersuchen und Berichte zu dem jeweiligen Thema sind regelmäßig zu veröffentlichen. Zu Themen, die von besonderem Interesse sind, da sie das Zusammenleben aller Menschen beeinflussen, sollen dedizierte internationale Organisationen etabliert werden, welche direkt der UN unterstehen und von dem jeweiligen parlamentarischen Ausschuss zu beaufsichtigen sind. Diverse UN-Kommissionen und Räte sind ggf. ebenso in solche Organisationen zu überführen.
Nach obigem Prinzip wollen wir den UN-Menschenrechtsrat in eine eigenständige UN-Menschenrechtsorganisation überführen, die unter parlamentarischer Aufsicht steht. Übergangsweise muss sichergestellt werden, dass in dem UN-Menschenrechtsrat keine Staaten vertreten sind, in der staatlich organisierte oder geförderte Menschenrechtsverletzungen erfolgen.
Etablierung einer UN-Armee
Wir Liberale Demokraten fordern die Etablierung einer UN-Armee, die einzig und allein im
Rahmen von UN-Mandaten eingesetzt wird. Lediglich der Einsatz der UN-Armee soll, mit der Ausnahme der Verteidigung der nationalen Grenzen oder die der Bündnispartner, berechtigt sein, militärische Einsätze zu unternehmen.
Zudem fordern wir die Etablierung weltweit verteilter UN-Basen. Dazu soll Deutschland den ersten Schritt gehen und einige eigene sowie einige bisher fremde Militärbasen (z. B. US-Basen) in Deutschland stattdessen der UN zur Verfügung stellen. Insbesondere sollen langfristig alle militärischen Basen fremder Staaten geschlossen und die Etablierung von UN-, EU- und NATO-Basen gefördert werden. Diese Basen sollen hierbei ausschließlich einen vertraglich geregelten Zweck erfüllen. Sofern sie für einen anderweitigen Zweck — allem voran der Kriegsführung außerhalb der Verteidigung — genutzt werden, so soll eine sofortige Aufkündigung und Schließung fristlos möglich sein.
Bekenntnis zu Israel
Wir betonen im Rahmen der historischen Verantwortung Deutschlands solidarisch das Existenzrecht Israels ausdrücklich. Die israelische Bevölkerung hat genauso wie eine jede andere das Recht auf Selbstbestimmung und die Ausübung dieser Selbstbestimmung muss garantiert werden. Entsprechend verurteilen wir jegliche Aktionen und Organisationen, die das Existenzrecht Israels Infrage stellen.
II. Sicherheitspolitik – Frieden als oberstes Ziel
UN-Gewaltmonopol
Langfristiges Ziel unserer Außen- und Sicherheitspolitik ist es, das UN-Gewaltmonopol endlich demokratisch legitimiert und handlungsfähig zu etablieren. Sobald dies erreicht ist, werden Bündnisorganisationen wie die NATO nicht mehr nötig sein und auch nationale Armeen reduziert werden können.
Als Übergangslösung betrachten wir als überzeugte Europäer eine Schaffung und die Förderung einer EU-Armee als angemessen, um Friedenseinsätze neben den eigentlichen Bündnissen besser koordinieren zu können. Diese ist neben den nationalen Armeen auf europäischer Ebene zu schaffen. (siehe dazu auch im separaten Programmpunkt „Europa“).
Frieden
Wir unterstützen jedes ernsthafte und ehrliche Eintreten für den Frieden. Der Erhalt und Ausbau einer unabhängigen Friedens- und Konfliktforschung ist die Grundvoraussetzung sowohl für das Verstehen der Problemzusammenhänge des vermeintlichen Gegners als auch für das Schaffen einer Friedensfähigkeit in der eigenen Bevölkerung. Die Ergebnisse dieser Forschung müssen in die Bildungs- und Medienpolitik einfließen.
Ziel von Abrüstungsverhandlungen muss eine Welt frei von ABC-Waffen sein, mit einer ausgewogenen Verminderung der konventionellen Rüstung. Herstellung, Erwerb und Einsatz von Massenvernichtungswaffen sowie von Geschossen mit angereichertem Uran und Anti-Personen-Minen müssen endlich völkerrechtlich verboten werden.
Wichtiger Bestandteil einer wirksamen Friedenspolitik ist eine Politik des internationalen wirtschaftlichen und sozialen Ausgleichs und des kulturellen Austauschs.
Krisen und Konflikte
Krisengebiete und internationale Konflikte gefährden unsere Sicherheit über alle Grenzen hinweg. Viele davon gehen aus nationalistischen Bestrebungen hervor, die nicht auf ein langfristiges Allgemeinwohl abzielen, sondern aus egoistischer Motivation entstanden sind. Deswegen betonen wir erneut die Wichtigkeit der Etablierung des UN-Gewaltmonopols. Wir sehen die Lösung dieser Konflikte in multilateralen Abkommen auf Augenhöhe und unterstützen jedwede Bestrebungen in dieser Hinsicht. Zusätzlich bemerken wir, dass viele solcher Konflikte darin begründet sind, dass Völker ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben wollen. In solchen Fällen unterstützen wir Liberale Demokraten gewaltlose Bestrebungen in der Hinsicht, verurteilen jedoch jede Art von Gewalt und Terrorismus.
Für uns Liberale Demokraten ist jeder Bruch des internationalen Rechtes eine unentschuldbare Handlung. Wir verurteilen somit explizit folgende Handlungen:
- Invasion in Territorien fremder Staaten
- Besetzung und unilaterale Annexion von Territorien fremder Staaten
- Umsiedlung und ethnische Säuberung in derartigen Territorien
- Besiedlung von derartigen Territorien
- Proklamierung eines Vasallenstaates in derartigen Territorien
- Putsche und Putschversuche in fremden Staaten
- Terroristische Anschläge
- Verknappung von Rohstoffen
- Ausbeutung von Rohstoffen in den Meeren
Wir betonen, dass Staaten und Organisationen, die die vorgenannten Aktionen tätigen, aus Sicht der Liberalen Demokraten nicht als Partner Deutschlands betrachtet werden dürfen. Daher fordern wir vor allem Waffenexporte in solche Länder zu unterlassen, bis signifikante Besserungen und Anstrengungen zur Konfliktlösung erkennbar sind. Instabile Staaten sollen hierbei allgemein keinen Zugang zu deutschen oder über Deutschland gelieferten Waffen und zugehörigen Technologien erhalten.
Verteidigung
Die größte Gefahr für die Gesellschaft geht heute nicht mehr von Kriegen zwischen Staaten, sondern von grenzüberschreitendem Terrorismus, Völkermord und Bürgerkriegen aus. Der Verteidigungsauftrag der Bundeswehr kann sich deshalb nicht vollends auf das Deutsche Bundesgebiet und den Bündnisfall beschränken.
Dabei ist klar: Militärische Wege sind immer das letzte Mittel und dürfen nur in Erwägung gezogen werden, um Menschen zu schützen und Frieden zu sichern. Alle Optionen für eine Verhandlungslösung müssen zuerst geprüft und unternommen werden. Notwendig sind eine transparente Informationslage, fundierte Analyse und demokratische Kontrolle.
Jeder Auslandseinsatz außerhalb der Verteidigung der eigenen territorialen Integrität und des Bündnisfalles hat ihre Legitimität zwingend in einem UN-Mandat zu finden. Jegliche völkerrechtlich fragwürdigen Auslandseinsätze sind zu unterlassen. Ohne ein entsprechendes UN-Mandat sind nicht staatliche militante Organisationen nicht als Partner zu betrachten.
Der Begriff Verteidigung sollte weiter gefasst und nicht nur militärisch gesehen werden dürfen. Diese militärische Vorsorge wurde glücklicherweise seit Gründung der Bundeswehr nicht benötigt.
Wir werden aber immer wieder Katastrophen überstehen müssen, wie Hochwasser oder Stürme — durch den Klimawandel sicher mehr als in der Vergangenheit. In diesem Zusammenhang werden auch andere, zusätzliche Katastrophen zu bewältigen sein, wie dauerhafte Überflutungen.
Die Coronapandemie zeigt, dass wir auch auf dem Gebiet der Gesundheit und Wirtschaft gegen Katastrophen besser gerüstet sein müssen.
Es muss also personelle und technische Vorsorge gegen Katastrophen aller Art — ob Umwelt, Klima, Krankheiten usw. — getroffen werden.
Daher ist es dringend angebracht, entsprechende Dienste mit Ausbildung, Weiterbildung, Reservedienst und beruflicher Entwicklung aufzubauen, wie jetzt auch in der Bundeswehr, deren Notwendigkeit wir vorrangig politisch eher entbehrlich machen wollen.
Jeder dieser Dienst ist dem Dienst an der Waffe nicht gleichrangig, sondern vorrangig.
Hierbei sind Verschränkungen mit beruflichen Tätigkeiten und Zusammenarbeit und Austausch mit entsprechenden Diensten in anderen EU-Staaten anzustreben.
Moderne Bundeswehr
Deutschlands Sicherheitslage ändert sich derzeit dramatisch durch Cyber-Bedrohungen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus autokratischen Regimen sowie die Gefahr, dass zukünftig noch weit mehr Menschen infolge von Klimakrise und politischer Instabilität fliehen könnten.
Deshalb fordern wir Liberale Demokraten eine moderne und hochtechnologische Verteidigung. Wir wollen dabei die Verteidigungsausgaben nicht blind erhöhen – im Gegenteil muss die Verteidigung in eine wirklich professionelle, gut ausgerüstete und einsatzbereite Armee umgewandelt werden.
Ablehnung von allgemeiner Dienstpflicht und Wehrdienst im Frieden
Wir Liberale Demokraten sehen Zwangsdienste kritisch. Die Probleme der Bundeswehr liegen nicht in der Verfügbarkeit ungelernten Personals, sondern in ihrer mangelhaften Ausrüstung und Beschaffungspolitik. Ein Wiedereinsetzen des Wehrdienstes in Friedenszeiten kann diese nicht beheben und stellt gleichzeitig einen drastischen Einschnitt in die Rechte und die Freiheit junger Menschen dar.
Eine allgemeine Dienstpflicht, die sich beispielsweise auf den sozialen Sektor fokussiert, verstößt nach gängiger Rechtsauffassung gegen Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Zwangsarbeit. Die dort enthaltenen Ausnahmen erstrecken sich nicht über Wehrdienste hinaus. Auch hier ist anzumerken, dass die enormen politisch verschuldeten Probleme im sozialen Bereich nicht auf den Schultern von jungen Erwachsenen gekittet werden dürfen. Stattdessen braucht es dort langfristige, nachhaltige Lösungen wie etwa erheblich höhere Investitionen und Gehälter.
Sicherheitsbegriff
Größere Sicherheit kann nicht durch mehr und mehr Waffen gewährleistet werden. Der Begriff „Sicherheit“ darf nicht auf rein militärische Denkweise reduziert bleiben. Durch langfristig angelegte, ursachenbekämpfende, unmilitärische Friedenssicherung können Konflikte vermieden und Sicherheit gewährleistet werden.
Wir Liberale Demokraten meinen generell, dass die Sicherheitsinteressen der europäischen Staaten, insbesondere der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, nicht identisch sind mit denen einer der globalen Supermächte. Stattdessen muss durch enge Kooperation die EU oder eine Republik Europa selbst als Supermacht die Weltbühne betreten.
Europäische Verteidigungspolitik
An dieser Stelle verweisen wir auf den eigenständigen Programmpunkt „Europa“.